„Die Frage nach dem Sitz des Europaparlaments stellt sich für mich nicht“

Interview mit dem Deutschen Generalkonsul in Straßburg, Gerhard Küntzle, der gleichzeitig Generalkonsul und deutscher Botschafter der Ständigen Vertretung beim Europarat ist.

Gerhard Küntzle, der deutsche Generalkonsul in Straßburg, hat auf unsere Fragen geantwortet. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Vor etwas mehr als einem halben Jahr übernahm Gerhard Küntzle sein Amt von seinem Vorgänger Julius Georg Luy. Wir haben ihn nach seinen ersten Eindrücken, Aufgaben und Zielen gefragt.

Herr Küntzle, wie haben Sie sich in Straßburg eingelebt? Fühlen Sie sich schon in Straßburg zuhause?

Gerhard Küntzle: Straßburg ist eine wunderbare, offene Stadt, das Einleben war ein Kinderspiel. Meine Familie und ich fühlen uns hier sehr wohl und wenn speziell ältere Elsässer mit mir Elsässisch sprechen, ist es für mich fast wie in meiner schwäbischen Heimat.

Wo sehen Sie die wichtigsten Aufgaben des deutschen Generalkonsulats in Straßburg? Eher in den Beziehungen zu den Europäischen Institutionen oder im Verhältnis zwischen Deutschland und speziell Baden-Württemberg und der neuen ostfranzösischen Großregion?

GK: Ich leite ja das deutsche Generalkonsulat und die Ständige Vertretung beim Europarat in Personalunion. In beiden Bereichen gibt es zahlreiche wichtige Themen – es kommt darauf an, die richtigen Prioritäten zu setzen. Für mich ist das deutsch-französische Verhältnis ein zentrales europäisches Thema. Und gerade hier, in der neuen Großregion und den angrenzenden Bundesländern Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sind sich Deutschland und Frankreich am nächsten, hier ist das Geflecht zwischen den Ländern und den Menschen am dichtesten.

Nach Ihren Erfahrungen, wie ist das Bild Deutschlands und der Deutschen im Elsass?

GK: Am meisten hat mich vom ersten Tag an überrascht, wie groß das alltägliche Interesse der Menschen im Elsass an ihren deutschen Nachbarn ist. Auch die Medien berichten häufig und wie selbstverständlich über die andere Rheinseite. Gleichzeitig sind sich die Elsässer und insbesondere die ältere Generation ihrer wechselhaften Geschichte und der schmerzhaften Erinnerungen an die beiden Weltkriege noch sehr bewusst. Dem steht aber eine Versöhnungsbereitschaft gerade bei den Älteren gegenüber, die mich immer wieder überwältigt. Schade finde ich, dass in Frankreich immer noch viele Menschen glauben, Deutsch sei eine schwierige Sprache. Ich kann Ihnen versichern, Deutsch ist nicht schwieriger als Französisch. Und wenn Sie sich den Sprachunterricht des Goethe-Instituts anschauen, dann sehen Sie, dass Deutsch lernen richtig Spaß machen kann!

Haben Sie, neben Ihren konsularischen Aufgaben, auch die Möglichkeit, konkrete Projekte mit regionalen Partnern anzugehen? Wir erinnern uns an ein Frauen-Länderspiel Frankreich – Deutschland in Straßburg oder auch Konzerte, bei denen das Generalkonsulat stark involviert war…

GK: Dort, wo wir das können, werden wir uns auch in Zukunft an konkreten Projekten beteiligen. Das geht am besten gemeinsam mit starken Partnern wie beispielsweise dem Goethe-Institut, hiesigen Institutionen oder auch Unternehmen. Im letzten Jahr haben wir gemeinsam mit den französischen Partnern und dem Europarat an der Eröffnung des Themenjahrs 2016 der Lutherdekade mitgewirkt und bis zum Sommer hoffen wir, ein oder zwei weitere Projekte realisieren zu können.

In Straßburg steht nach wie vor die Frage des Sitzes des Europäischen Parlaments auf der Tagesordnung. Wie stehen Sie zu dieser Frage?

GK: Wenn Sie heute Europäer fragen, wo der Sitz des Europäischen Parlaments ist, werden die meisten spontan Straßburg nennen. Das ist für die Stadt und die hier ansässigen Institutionen also eine Erfolgsgeschichte. Und die Entfernung zwischen Brüssel und Straßburg spielt im digitalen Zeitalter keine entscheidende Rolle mehr. Außerdem – alles, was Straßburg als „Carrefour de l’Europe“ stärkt, ist gut für die Region auf beiden Seiten des Rheins und damit letztlich gut für Europa. Für mich persönlich steht die Frage nicht auf der Tagesordnung.

Ändert die französische Gebietsreform mit der Gründung der neuen Region „Grand Est“ etwas an Ihren Aufgaben und Arbeitsabläufen?

GK: Zunächst einmal nicht, denn unser Konsularbezirk umfasste immer schon diese Region. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass künftig die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Gebieten der neuen Region noch intensiver wird, dort, wo das Geflecht noch nicht so eng ist. Das Potential ist vorhanden und entsprechende Chancen sollten aktiv genutzt werden. Wir werden das aktiv unterstützen.

Bitte ergänzen Sie zum Abschluss folgenden Satz: Meine Amtszeit in Straßburg wird erfolgreich gewesen sein, wenn…

GK: … der Europarat stark bleibt und das Generalkonsulat einen nachweisbaren Beitrag zur weiteren Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit leisten konnte.

Herr Botschafter, vielen Dank für das Gespräch!

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