Die französische Gebietsreform – das Elsass ist uneins

Kurz vor der großen Demonstration für einen „Elsässischen Einheitsrat“ am Samstag, den 11. Oktober in Straßburg, gibt es Neues aus der Politik.

Das wunderschöne Elsass (hier Burg Sankt Ulrich) steht vor einer identitären Zerreißprobe. Foto: Dsch67 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.5

(KL) – Wie sieht die Zukunft des Elsass aus? Während das ländliche, konservative Elsass alles daran setzt, dass es zu keiner Fusion mit einer Nachbarregion kommt (mittlerweile haben 115 Kommunen eine Resolution für die Einrichtung des Elsässischen Einheitsrats verabschiedet, die noch letztes Jahr in einer Volksabstimmung abgelehnt worden war), arbeitet das städtische Elsass weiterhin für die in Paris beschlossene Gebietsreform – hier: eine neue Region Elsass-Lothringen. In Paris geben sich derweil die elsässischen Politiker die Klinke in die Hand. Nach Philippe Richert, dem konservativen Präsidenten der Region Elsass am Freitag, sprachen am Montag mehrere sozialistische Abgeordnete mit Premierminister Manuel Valls. Viel klarer sieht man aber trotzdem nicht.

Man könnte es auf eine einfache Formel bringen: Die konservativen Kräfte im Elsass sind überwiegend für eine Region Elsass, ohne Fusion mit Nachbarregionen, die Sozialisten stehen für die Schaffung einer neuen Region Elsass-Lothringen. Einigkeit herrscht nur zu einer Frage – weder die Linken noch die Rechten wollen eine „Zwangsehe“ mit der entfernten Region Champagne-Ardennes eingehen. Doch so klar die Positionen auch scheinen – sie sind es nicht. In den politischen Lagern gibt es viele von der jeweiligen Parteiräson abweichende Meinungen, ohne dass ein parteiübergreifender Konsens entstehen könnte.

Doch statt die Debatte um die Zukunft des Elsass sachlich zu führen (immerhin müssen die Elsässer aller politischen Lager später in der neuen Konfiguration leben), läuft man nun Gefahr, in den alten politischen Reflex zu verfallen und dieses komplexe Thema auf die ewig alte Opposition „links“ gegen „rechts“ zu reduzieren. Doch die Frage der geographischen und verwaltungstechnischen Neuordnung Frankreichs ideologisch anzugehen, könnte sich als historischer Fehler herausstellen. Denn neu eingeführte Systeme haben sehr lange Halbwertzeiten.

Gäbe es eine „elsässische Position“ zur Frage der Zukunft des Elsass, so wäre es deutlich einfacher, diese gegenüber Paris zu vertreten. Es gibt sie aber nicht. Weswegen sich jetzt der Ton verschärfen wird. Den Auftakt macht am Samstag die große Demonstration in Straßburg, die von den Befürwortern des Elsässischen Einheitsrats organisiert wird – einer Gruppe ganz verschiedener Organisationen, die teils aus dem konservativen Spektrum, teils aus der bürgerlichen Zivilgesellschaft stammen. Díe Organisatoren rechnen mit 10-15000 Teilnehmern, die der Forderung nach „Elsass pur“ Nachdruck verleihen wollen.

Währenddessen arbeiten die Sozialisten weiter an der Lösung Elsass-Lothringen, wobei laut über eine Zusage seitens Paris gesprochen wird, nach der Straßburg auf jeden Fall die Hauptstadt der neuen Region werden wird, gleich, wie diese auch aussieht. Dabei ist die PS im Elsass in einer delikaten Lage. Einerseits kann und will sie nicht die Partei sein, die das Elsass durch einen „Ausverkauf“ an Lothringen in seiner Identität erschüttert wird, andererseits kann und will sie nicht die Partei sein, die aus der bereits heute kleinsten Region Frankreichs morgen die winzigste Region Frankreichs macht. Im Grunde kann die PS es gerade niemandem Recht machen.

Doch eine Reform der Regionen und vor allem der Verwaltung mit ihren Unter-Verwaltungen und Unter-Unter-Verwaltungen und Ausschüssen, Arbeitsgruppen und Doubletten ist in Frankreich dringend erforderlich. Nur – eine solche Reform funktioniert nicht nach dem Sankt-Florian-Prinzip. Reformen gutzuheißen, so lange diese einen nicht betreffen, das ist einfach.

Die Befürworter des Elsässischen Einheitsrats halten dagegen, dass sie ja sehr wohl reformieren wollen, indem die Verwaltungen von Bas-Rhin, Haut-Rhin und der Region Elsass zusammengelegt werden sollen. Schlankere Verwaltungsstrukturen und Einsparungen stellt man sich vor. Doch scheiterte dieses Vorhaben im letzten Jahr, nachdem sich beide Departements eine heftige Auseinandersetzung um die Verteilung von Verwaltungssitzen und Beamten geliefert hatten, bei der es zu keiner Lösung kam. Warum und wie dies ein Jahr später dann doch möglich sein soll, weiß niemand.

Für das Elsass ist diese Phase allerdings sehr interessant. Denn zwangsläufig kommt jetzt niemand um eine klare Stellungnahme zur elsässischen Identität und dem Verhältnis zwischen Haut-Rhin und Bas-Rhin herum. Vieles, was lange Jahre zwischen Stadt und Land im Elsass schwelte, kommt nun an die Oberfläche.

Bleibt zu hoffen, dass diese Auseinandersetzung mit der Frage, wie das Elsass eigentlich als Ganzes ticket, im gegenseitigen Respekt und nicht als sinnloser Schlagabtausch zwischen „links“ und „rechts“ geführt wird. Der Verlauf der Demonstration am Samstag in Straßburg wird hierzu erste Aufschlüsse geben.

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