Die französische Präsidentschaft der EU

Unser Kollege Olivier Védrine erläutert, welche Hoffnungen sich in der Ukraine (und anderswo) mit der französischen Prâsidentschaft der EU verbinden.

Mit der französischen Präsidentschaft der EU verbinden sich in der Ukraine viele Hoffnungen. Foto: Yann caradec from Paris, France / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(Olivier Védrine) – Frankreich hat am 1. Januar 2022 turnusmäßig die Präsidentschaft des Europäischen Rats übernommen. 13 Jahre nach der letzten französischen Präsidentschaft übt Paris diese Funktion erneut für sechs Monate aus. Der Eiffelturm und der Elysee-Palast sind gleichzeitig im europäischen Blau angestrahlt. Dutzende weitere, emblematische Monumente, werden ebenfalls in ganz Frankreich in der ersten Woche dieser Präsidentschaft in Blau angestrahlt.

Emmanuel Macron hatte am 9. Dezember 2021 seine Prioritäten für die französische Präsidentschaft der EU verkündet. Diese Funktion erlaubt eine gewisse Einflussnahme auf die Orientierungen der EU, auch, wenn dieser Handlungsrahmen eng eingegrenzt ist. Die Präsidentschaft der EU unter Nicolas Sarkozy in der zweiten Jahreshälfte 2008 fand unter einem ganz anderen Organigramm statt, das seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags im folgenden Jahr stark verändert wurde. Als der französische Präsident am Donnerstag, den 9. Dezember 2021 bei einer Pressekonferenz im Elysee-Palast seine Prioritäten für diese Präsidentschaft verkündete, standen diese unter der Überschrift: „Neustart, Kraft, Zugehörigkeit“. Frankreich hat sich drei Hauptprojekte für seine Präsidentschaft definiert: Einführung eines Mindestlohns in der ganzen EU, die Regulierung der Giganten der digitalen Welt und die Einführung einer CO2-Steuer für nach Europa importierte Waren, in Abhängigkeit von deren Umweltbilanz.

Dabei übernimmt nicht nur der französische Präsident die Präsidentschaft des Europäischen Rats, sondern seine ganze Regierung wird nun symbolisch zur Regierung Europas. Im Ministerrat leitet in dieser Zeit immer der jeweilige französische Minister die Sitzungen mit seinen europäischen Amtskollegen. Eine Ausnahme bilden allerdings die Bereiche Diplomatie und Verteidigung: In diesen Bereichen liegt die Leitung weiterhin in den Händen von Josep Borrell, dem Außenminister der EU, der auch für Fragen der Sicherheit zuständig ist – 2019 wurde der Spanier von der Europäischen Kommission für fünf Jahre auf diesen Posten berufen.

Präsident Emmanuel Macron hat für die „PFEU“ (Présidence française de l’UE – französische Präsidentschaft der EU) ambitionierte Ziele definiert. So sagte er in seiner Neujahrsansprache: „2022 muss das Jahr eines europäischen Wendepunkts sein.“

Am 9. Dezember hatte er dazu gesagt: „Es geht darum, Europa in der Welt mächtig zu machen, vollständig souverän, frei in seinen Entscheidungen und in Kontrolle des europäischen Schicksals.“ Diese Ziele wird er seit seiner Wahl 2017 nicht müde zu wiederholen. Ein souveränes Europa, das ist vor allem ein Europa, das in der Lage ist, seine Grenzen zu beherrschen. So wird eine Reform des Schengen-Raums gestartet werden: Hier sollen eine neue Politik der Sicherung der Grenzen und ein Unterstützungs-Mechanismus für Notfälle eingerichtet werden. Ebenso plant Macron, die Haushaltsregeln überprüfen zu wollen – die berühmten Maastricht-Kriterien – mit denen die europäischen Haushaltsdefizite eingegrenzt werden sollen, um mehr europäische Investitionen für Wachstumsprojekte zu finanzieren. Ein souveräneres Europa muss auch ein Europa der Verteidigung sein. Seit 2017 wurden in diesem Bereich bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Hier muss die EU nun in eine stärker praxisbezogene Phase eintreten, in der die europäischen Interessen und eine gemeinsame Strategie definiert werden.

Die muss sich einer Reihe Herausforderungen zu Fragen der Sicherheit in Europa stellen – Zehntausende russische Soldaten stehen vor der ukrainischen Grenze und Emmanuel Macron könnte die Stimme Europas in den amerikanisch-russischen Verhandlungen zum Thema Ukraine, der Sicherheit in Europa und der Wiederaufnahme des „Normandie-Formats“ sein. Frankreich arbeitet auf diplomatischer Ebene daran, die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine zu beruhigen. Am Freitag, den 10. Dezember 2021, hat Emmanuel Macron mit dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky telefoniert, und diesem seine Entschlossenheit mitgeteilt, die Souveränität der Ukraine und deren territoriale Unversehrtheit zu schützen. Beide Präsidenten haben sich auf die Notwendigkeit verständigt, „die Verhandlungen im so genannten ‘Normandie-Format‘ wieder aufzunehmen, unter der Vermittlung Frankreichs und Deutschlands“. Die französische Präsidentschaft der EU erscheint somit als ein Glücksfall für die Ukraine, dank der guten Beziehungen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky und seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron.

Die deutsche Unterstützung – Emmanuel Macron kann mit der Unterstützung des neuen deutschen Kanzlers, des Sozialdemokraten Olaf Scholz rechnen, der wiederum 2022 die G7-Gipfel leiten wird.

In seiner ersten Neujahrsansprache machte sich der Nachfolger von Angela Merkel für ein „souveräneres und stärkeres Europa“ stark. „Unsere französischen Freunde können auf unsere Unterstützung bauen », erklärte dann die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gegenüber AFP.

„Gemeinsam werden wir für ein digitaleres, ökologischeres und soziales Europa arbeiten, dessen Stimme laut in der Welt zu hören sein wird“, erklärte am Samstag auch die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen in einem Tweet.

Die wichtigen Termine dieser Präsidentschaft – Insgesamt werden knapp 400 Veranstaltungen von Frankreich in der EU während dieser Präsidentschaft organisiert werden. Hierbei handelt es sich um politische Treffen, kulturelle Programme und zivilgesellschaftlichen Veranstaltungen, die jedermann offen stehen. Dazu werden in verschiedenen Städten Frankreichs auch thematische Gipfeltreffen organisiert werden.

Einige dieser Veranstaltungen sind bereits fest programmiert. Am 6. und 7. Januar empfängt Emmanuel Macron in Paris das Kollegium der Europäischen Kommissare, bevor er am 19. Januar in Straßburg vor den Europaabgeordneten sprechen wird. Ein europäisch-afrikanischer Gipfel ist für den 17. Und 18. Februar terminiert.

Im März finden ein informeller Gipfel zur Entwicklung und ein weiterer informeller Gipfel zur Kultur statt. Ende März wird dann ein Gipfel zur europäischen Verteidigung organisiert werden. Im Mai sollen dann die Ergebnisse der „Konferenz zur Zukunft Europas“ präsentiert werden, die ein Jahr vorher gestartet wurde.

Professor (h.c.) Olivier Védrine ist Politikwissenschaftler, Journalist, Autor und Chefredakteur des „Russian Monitor“, sowie Mitglied des Lenkungsausschusses der Stiftung Jean Monnet.

Dieser Artikel ist zunächst auf Englisch in der größten ukrainischen Tageszeitung „Kyiv Post“ erschienen

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste