Die ganze Natur soll es sein – Gustav Mahler zum Dritten

Das war bisher schon eine stolze Serie - und jetzt geht es weiter: Die Aufführung der Symphonien von Gustav Mahler durch die Straßburger Philharmonie OPS sind bei seiner Dritten angelangt: Das große Abschlusswerk der Romantik wird am Donnerstag im PMC zu hören sein.

Die ganze Natur und der ganze Mahler - Ein reflektierender Blick durch das Fenster des Komponistenhäuschens am Attersee in Österreich, wo Gustav Mahler seine 3. Symphonie geschrieben hat. Foto: Srdja Marincic / Wikimedia Commons / CC-SA 3.0

(Michael Magercord) – Welche Stimme hat die Natur? Und wer mag sie ihr geben? Was sich heutzutage schon fast nach einer Anmaßung anhört, schien es vor 120 Jahren noch menschenmöglich zu sein. Heute bekommen wir nach einem Jahrhundert der blinden Ignoranz so allmählich wieder das Gefühl dafür, dass es die Natur ist, die uns ihren Rhythmus vorgibt. Doch damals konnte ein Komponist noch glauben, so Gustav Mahler in einem Brief an Anna Bahr-Mildenburg nach dem Abschluss seiner dritten Symphonie, dass durch seine Arbeit die „ganze Natur eine Stimme bekommt und so ein tiefes Geheimnis erzählt, das man vielleicht im Traume ahnt!“

Ob uns seine Musik dieses Geheimnis des Lebens, um das es sich wohl handeln muss, wenn die ganze Natur uns was erzählen will, offenbaren wird? Oder werden wir vielmehr daran erinnert, dass wir Menschenkinder gerade genau dazu nicht in der Lage sind: nämlich auf die Natur zu hören? Und ist es nicht ausgerechnet die flüchtige Zeitkunst der Musik, in der sich auf Höchste zeigt, wie sehr der Mensch nun einmal ein Wesen ist, das sich in seinen eigens geschaffenen Luftschlössern und Wolkenkuckucksheimen am geborgensten fühlt?

„Mir ist manchmal selbst unheimlich zumute bei manchen Stellen, und es kommt mir vor, als ob ich das gar nicht gemacht hätte”, bekannte sich Mahler in dem Brief an seine Freundin zu seinem Künstlertum, das er freilich ganz in der Strömung seiner Zeit darin sah, nur als geniales Werkzeug einer höheren Macht zu dienen. Diese Macht, die ihren Ausdruck in seiner Musik finden will, soll die Natur sein. Den einzelnen Sätzen der gut einstündigen Symphonie hat der Komponist jeweils eine Stimme zugeordnet, die ihm seine musikalischen Eingebungen erzählt haben soll: der Gott Pan, die Blumen auf der Wiese, die Tiere im Walde und sogar ein Engel.

Den vierten Satz aber, der das bis dahin zarte Werk ins Schroffe wandelt und bei dem das erste Mal Sologesang einsetzt, der wurde ihm von „einem Menschen“ zugetragen. Stellvertretend für das Menschengeschlecht wird die Stimme des altpersischen Weisen Zarathustra zu hören sein, der wiederum Friedrich Nietzsche die seine lieh: „Oh Mensch! Gib acht!“ Worauf? Auf deine Lust an der Selbstaufgabe durch deine Selbstbemächtigung. Ja, Gott ist tot, sagt dieser selbst verrückt gewordene Philosoph, getötet von uns, den halbwegs modernen Menschen, um von nun an trotz all den unausrottbaren und nur allzu bekannten menschlichen Unzulänglichkeiten selbst die Welt zu beherrschen. Wie gefährlich das ist, den Sinn fürs eigene Übersinnliche mutwillig verkümmern zu lassen, zeigt sich das nicht ausgerechnet in unserem Umgang mit der Natur? Und weil diese Botschaft ja dann doch eher auf die Sphären des menschlich-übersinnlichen als des menschlich-allzumenschlichen zielt, ist Musik wohl ihr am besten geeigneter Überbringer und Gustav Mahler eines ihrer mächtigsten Werkzeuge.

Schon bald nach seiner Uraufführung in Krefeld im Jahre 1902 zog das Werk über alle bedeutenden Konzertbühnen seiner Zeit. Es war Mahlers größter Erfolg und auch seine Kollegen zollten ihm höchste Anerkennung. Arnold Schönberg sah in der 3. Symphonie die Vertonung „rücksichtslosester Wahrheit“, der Komponist selbst sah in ihr einen Endpunkt: Er habe alles gesagt und getan, was in den Ausdrucksformen der Romantik gesagt und getan werden kann.

Es lohnt sich also selbst 120 Jahre nach ihrer Entstehung, sich diesem letzten großen Klangexperiment der Romantik auszusetzen. Zumal sein Ende doch so versöhnlich ist, denn das abschließende Adagio des sechsten Satzes wurde dem Komponisten von der Liebe erzählt.

3. Symphonie von Gustav Mahler aus dem Jahr 1896
Konzert der Straßburger Philharmonie und Chor der OPS und Kinderchor der Rheinoper OnR
Dirigent: Aziz Shokhakimov
Mezzo-Sopran: Bernada Fink

DO 19. Januar, 20 Uhr
Palais des Congrès et de la Musique – Straßburg

Info und Tickets unter DIESEM LINK!

Folgendes Konzert der OPS:

Mozart, Strauss, Wagner, Scribiane
DO 26. und FR 27. Januar
PMC – Straßburg

 

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