Die Heulsusen-Industrie

Das ehemalige Flaggschiff der deutschen Industrie, der Automobilbau, verkommt langsam zum weinerlichen Auslaufmodell. Die Arroganz von gestern rächt sich heute.

OK, aber nach den Feiertagen sollten die deutschen Autobauer mit der Modernisierung anfangen. Foto: Miss O'Crazy from San Francisco / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Bernhard Mattes, früherer Ford-Boss und heutiger Präsident des Verbands Deutscher Automobilhersteller (VDA) und damit Chef-Lobbyist der deutschen Automobilhersteller, konnte einem fast leid tun. Er musste vor der Presse die Entscheidung der EU-Kommission zur drastischen Verschärfung der Abgas-Emissionen für PKWs erläutern, die zwar bei weitem nicht ausreicht, um Klimawandel und Erderwärmung zu stoppen, aber wenigstens ein Zeichen in die richtige Richtung ist. Doch die deutschen Automobilhersteller und die Emissionen, das ist eine lange, traurige Geschichte. Eine Geschichte, die demnächst ein Ende finden könnte. Denn das deutsche Automobil ist dabei, ins Abseits zu rutschen.

Die neuen Emissions-Vorschriften besagen, dass die Produktpalette der Automobilhersteller ab dem Jahr 2030 (also in 12 Jahren) 37,5 % weniger CO2 ausstoßen darf als 2021. Dazwischen wurde für 2025 ein Meilenstein eingebaut, zu dem die Emissionen um 15 % gesenkt sein müssen. „Das ist so nicht machbar“, stammelte Mattes in die Mikrophone, sichtlich geschockt, denn die neuen Grenzwerte stellen vor allem die deutschen Autobauer vor massive Probleme.

Jahrelang hatte man in der Schiene Stuttgart – Ingolstadt – München lächelnd zugesehen, wie man weltweit an Hybrid- und E-Autos tüftelte. In dieser Zeit verkauften die Hersteller, was das Zeug hielt. Weltweit. Viele Luxuslimousinen. Sportwagen. SUVs. Spritfresser made in Germany. Teuer. Und während die internationale Konkurrenz ihre E-Prototypen zur Serienreife brachte, verkaufte man in der Schiene Stuttgart – Ingolstadt – München weiter seine noblen Spritfresser. Doch die Vermutung, dass Autobauer ähnlich wie Banken „too big to fail“ sein könnten, ist vielleicht ein Irrtum. Denn Stand heute ist keiner der deutschen Automobilhersteller in der Lage, die neuen Emissionsvorschriften zu erfüllen.

Es führt nur ein Weg dazu, dass 2030 ein Hersteller noch am Markt bleiben kann – er muss E-Autos bauen und verkaufen. Denn selbst mit Kleinwagen ist die Senkung der Emissionen um 37,5 % nicht machbar. Nun rächen sich die Jahre und Jahrzehnte des Belächelns der neuen Technologien. Nur 2 % der in Deutschland zugelassenen PKWs sind Hybrid- und E-Fahrzeuge und auch das Ladestationen-Netz ist noch in den Kinderschuhen. Kein Wunder, die großen deutschen Hersteller haben nicht in diese Technologie investiert, die plötzlich die einzige ist, mit der sie überleben können.

Jetzt zu heulen, wie immer in solchen Fällen mit dem Verlust von Arbeitsplätzen zu drohen und Widerstand anzukündigen, dass ist klein und jämmerlich. Nach dem Dieselgate, das der deutschen Automobilindustrie bereits das Image einer „kriminellen Vereinigung“ einbrachte, heulen die deutschen Automobil-Hersteller nun, weil sie ihren Beitrag zur Rettung dieses Planeten leisten sollten. Und das bedeutete nicht mehr und nicht weniger, als dass die deutschen Limousinen-Bauer am liebsten weiter ungehemmt die Umwelt verschmutzen würden, wenn man sie denn ließe. Fahrverbote, Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs, nachhaltige Stadtentwicklung, individuelle Verhaltensänderungen – alle arbeiten inzwischen daran, die drohende Umweltkatastrophe zu verhindern. Alle, bis auf die, die einen sehr großen Beitrag zu genau dieser Katastrophe leisten und am liebsten weiter leisten würden, da sie damit viel Geld verdienen.

Bernhard Mattes war bei seiner Pressekonferenz wohl auch deshalb so nervös und aufgebracht, da ihm klar sein muss, dass er seinen Job als Umweltverschmutzer-Lobbyist nun an den Nagel hängen kann – er hat auf ganzer Linie versagt. Schlecht für ihn, gut für uns. Und ab sofort läuft der Countdown der deutschen Autobauer – entweder schaffen sie es, den deutschen Autopark völlig umzugestalten, oder aber sie verschwinden vom Markt. In einem Land, dessen Autoexporte, Hersteller und Zulieferer einen großen Anteil am Wohlstand des Landes haben, ist das ein wirtschaftlicher Super-GAU.

Doch wäre es jetzt besser, schnell mit dem Heulen aufzuhören, die Ärmel hochzukrempeln und den technologischen Schalter umzulegen. Ansonsten wird es für die deutsche Automobilindustrie eng…

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