Die Jagd nach der politischen Mitte ist abgeblasen

In Frankreich und Deutschland haben die Wahlkämpfe für das „Superwahljahr“ 2017 begonnen. Nachdem alle Kandidaten feststehen, heißt es nun: klare Positionen zeigen!

Langsam tasten sich die Parteien aus der "politischen Mitte" heraus. Dort gibt es nämlich kaum noch Wähler... Foto: Pink Sherbet Photography / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Seit Jahren versuchen (fast) alle Parteien ein warmes Plätzchen in der „politischen Mitte“. Vor lauter Angst, man könne den einen oder anderen Wähler verschrecken, versucht man Positionen zu finden, von denen aus man, je nach Bedarf, mal eben nach „links“ oder nach „rechts“ abschwenken kann. Doch Überraschung – die Wähler machen dabei nicht mehr mit. Was besonders die eigentlich erwarteten Kandidaten der linken Regierungsparteien in Frankreich und Deutschland hart getroffen hat. Ab sofort heißt es nämlich wieder: „Links“ gegen „Rechts“.

Damit hatten weder Sigmar Gabriel, noch Manuel Valls gerechnet: mit den „linken“ Wählerinnen und Wählern. Eine Spezies, von der man in den Parteizentralen der PS und der SPD in Paris und Berlin eigentlich gedacht hatte, dass sie gerade ausstürbe. Tut sie aber nicht – die „linke“ Wählerschaft gibt es noch und sie beabsichtigt, sich mit ihren Kandidaten Martin Schulz und Benoît Hamon Gehör zu verschaffen.

Aha – das politische Heil liegt also gar nicht in der „Mitte“? Nein – und deshalb verlassen auch gerade alle das Zentrum, wo sich am Ende in Deutschland die FDP und in Frankreich die UDI ziemlich einsam vorkommen dürften. Die konservativen Parteien driften immer weiter nach „rechts“, wo sie versuchen, den Rechtsextremen Stimmen abzujagen und die Sozialdemokraten und Sozialisten müssen nun doch feststellen, dass es ihre Stammwählerschaft noch gibt. Und dass dieser Stammwählerschaft die gähnende Langweile der „politischen Mitte“ nicht mehr ausreicht.

Angesichts der aktuellen Weltkrisen und Entwicklungen wird die „politische Mitte“ überflüssig – heute brauchen wir klare Positionen, zwischen denen sich die Wählerinnen und Wähler in unseren demokratischen Systemen entscheiden können. Politisch korrektes Gesäusel ist out, es lebe die klare Kante! Die Wählerinnen und Wähler wollen wissen, wer welche Positionen und Programme vertritt – und echte Positionen gibt es eben in der „politischen Mitte“ nicht. Und Wähler schon gar nicht.

Die überraschende Kandidatenkür der Sozialdemokraten und Sozialisten in Deutschland und Frankreich hat die politische Landschaft verändert. Martin Schulz und Benoît Hamon stehen tatsächlich für „linke“ Werte und bieten, wer hätte das gedacht, den Wählerinnen und Wählern eine echte Wahl. Plötzlich lautet diese Wahl nicht mehr „rechts oder rechtsextrem“, sondern „links oder rechts oder rechtsextrem“ – und das klingt schon einmal ganz anders.

Die Welt hat sich auf den Weg gemacht, die schlimmsten Kapitel ihrer Geschichte zu wiederholen. Ob Trump, Erdogan, Putin, Assad, Orban, Le Pen, Petry, Wilders und wie sie alle heißen, sie alle wollen die Welt wieder in genau den engen Nationalismus zurücktreiben, der unzählige Male Kriege und Katastrophen ausgelöst hat. In Deutschland und Frankreich haben wir dieses Jahr die Wahl – wir können zuschauen, wie sich das intellektuelle Elend auch ins Herz Europas ausdehnt oder – wir steuern dagegen. Allerdings nicht aus der „politischen Mitte“ heraus. Die gibt es nämlich gar nicht mehr. Wer heute keine klaren Positionen mehr vertritt, der sollte sich eine andere Beschäftigung als die Politik suchen…

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