Die Jugend Frankreichs sucht nach dem Strand unter dem Pflaster

Die Bewegung „Nuit debout“ beschränkt sich nicht nur auf den Protest gegen die geplante Änderung des Arbeitsgesetzes. Die jungen Leute wollen eine andere Gesellschaft.

Mit einfachsten Mitteln wird ernsthaft gearbeitet - "Nuit debout" hat ein enormes Potential. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Die Stimmung in Frankreich ähnelt sowohl dem berühmten Mai 68 als auch dem Sommer 81 – beides Phasen, in denen die Jugend auf die Straße ging, weil sie eine andere, gerechtere, bessere Gesellschaft wollte. Mit hoch demokratischen Strukturen, einem erstaunlichen bürgerschaftlichen Engagement und der Dynamik, die Jugendbewegungen nun einmal zueigen ist, organisieren sich die Proteste auf friedliche und schlaue Weise. Und inzwischen ist diese Bewegung, die ihren Ausgangspunkt in Paris hatte, auch in der französischen Provinz angekommen. Auch in Straßburg.

Wie bei „Occupy“ und den spanischen „Indignados“ setzt „Nuit debout“ auf eine Diskussionsform, die demokratischer und respektvoller nicht sein kann. Man verzichtet auf Megaphone und Mikrophone und spricht stattdessen frei – und damit alle verstehen, was gesprochen wird, wiederholen die Umstehenden jedes Wort, was nicht nur dazu führt, dass tatsächlich alle den Redebeiträgen folgen können, sondern dass auch eine Art „Wir-Gefühl“ entsteht, das für eine solche Bewegung wichtig ist. Schöner Nebeneffekt – durch dieses Format wird auch sichergestellt, dass die Diskussionen friedlich bleiben, niemand versucht, den anderen zu übertönen, es wird nicht gebrüllt, niemand spielt sich in den Vordergrund.

Und Ideen haben die jungen Leute! Bei der ersten Vollversammlung von „Nuit debout“ in Straßburg, die am „36. März“ stattfand, also am 5. April, kümmerte man sich gleich um die erforderlichen Strukturen. Vier Arbeitsgruppen wurden gebildet, eine für „Demokratie“, eine für „Logistik“, eine für „Aktionen“ und eine für „Kommunikation“. Diese Arbeitsgruppen sollen die Arbeiten in den jeweiligen Bereichen voranbringen und Entscheidungen trifft dann immer die Vollversammlung, soviel Graswurzeldemokratie muss sein.

Im Mittelpunkt der Kritik steht nicht etwa nur die geplante Reform des Arbeitsgesetzes, sondern eine Art allgemeine Gesellschafts- und Politikkritik, die man gut nachvollziehen kann. Kriege, Terror, Korruption, ein auseinanderbrechendes Europa, der Erfolg der Rechtsextremen – die Welt, die sich gerade diesen jungen Menschen präsentiert, hat nichts Attraktives, weswegen sich „Nuit debout“ eben dafür einsetzt, dass sich Dinge verbessern. Eine der Hauptforderungen: Die Schaffung einer „Sozialverfassung, vom Volk fürs Volk geschrieben“, eine Forderung, die angesichts des Panama-Skandals mehr als verständlich ist.

Die Bewegung hat mittlerweile ganz Frankreich erfasst – überall bilden sich lokale Gruppen, organisieren sich die jungen Leute, wird debattiert und ein Elan hat das Land ergriffen, vor dem sich das politische Establishment langsam beginnt zu fürchten. Was hier gerade passiert, könnte der Startschuss für eine gesellschaftliche Veränderung werden, die mehr als überfällig ist.

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