Die Juncker-Kommission: nicht gerade die Champions League

Einige der Besetzungen der neuen Kommissarsposten müssen das Ergebnis einer durchzechten Nacht gewesen sein. In der die Briten wohl mehr Durchhaltevermögen hatten als der neue Kommissionspräsident.

Jean-Claude Juncker ist mit der neuen EU-Kommission zufrieden. Wenigstens einer... Foto: Factio popularis Europaea / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Das, was der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an seiner neuen Kommission so gut findet, ist genau das, was die Menschen in Europa geistig-moralisch aus Europa aussteigen lässt. Die Kommission ist eine Ansammlung ehemaliger nationaler Politikgrößen, die alle aufgrund ihrer umwerfenden Erfolge aus ihren Ämtern gewählt wurden und nun in den Samtetagen Europas ihr Gnadenbrot bekommen. Gute Nachricht für alle Länder, die dringend noch einen Ehemaligen unterzubringen hatten, schlechte Nachrichten für uns Europäer.

5 ehemalige Premierminister, 4 stellvertretende Premierminister, 19 ehemalige Minister, 7 ehemalige EU-Kommissare und 8 ehemalige Mitglieder des Europäischen Parlaments – ein tolles Team. Wobei sich keiner dieser Politikprominenten durch besonders gute politische Maßnahmen für die Geschichtsbücher empfohlen hätte.

Allerdings fallen einem drei Posten sofort ins Auge. Klar, das neue Ressort Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, das der Franzose Pierre Moscovici leitet. Wahrscheinlich hofft Juncker, dass Moscovici schon sein Lebensquota an politischen Fehlleistungen absolviert hat und schon aus statistischen Gründen als Kommissar einen besseren Job macht als in allen seinen bisherigen Ämtern. Beruhigend, dass der in Frankreich im Wirtschaftsbereich so erfolgreiche Moscovici nun die wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen Europas maßgeblich steuern wird.

Genauso umwerfend ist das neue Ressort Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion, das dem Briten Jonathan Hill anvertraut wurde. Man glaubt zu träumen. Es gibt eigentlich nur Gründe, die gegen eine Berufung Hills für diesen Job sprechen. Zunächst ist da mal die britische Haltung, von Margaret Thatcher einst festgeschrieben – „I want my money back”. Auf diese Formel lässt sich die britische Finanzpolitik gegenüber Europa bringen. Dazu will Großbritannien noch vor 2017 eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU durchführen. Was nicht unbedingt darauf hinweist, dass Hill europäische und nicht nur britische Interessen vertreten wird. Und dann soll dieses neue Ressort auch noch darüber wachen, dass die neuen Aufsichts- und Abwicklungsregeln für Banken umgesetzt werden – hallo? Mr. Hill wird den Finanzplatz London unterstützen und damit andere Interessen vertreten als Europa. Aber wenn Juncker meint, dass man dem Fuchs die Schlüssel für den Gänsestall überlassen sollte…

Interessant ist die Herabstufung von Günther Oettinger. Klar, dass sich alle beeilten zu sagen, dass diese Degradierung im Grunde eine Beförderung ist, aber Fakt ist, Oettinger rückt ins zweite Glied und beschäftigt sich fürderhin mit dem digitalen Ausbau Europas. Mit seinen Kenntnissen in Fremdsprachen und moderner Technologie ist Oettinger da genau der richtige Mann. Dessen völlig unbelasteter Blick auf das Thema und die völlige Unkenntnis der dazugehörenden Fachsprache werden das digitale Europa zu neuen Höhen aufschwingen.

Für die anderen Ressorts wird man sehen müssen, wie sich die Kommissare einarbeiten. Allerdings wurde die Kommission auf Wunsch von Juncker umstrukturiert, wobei der Nutzen dieser Umstrukturierung für die 500 Millionen Europäer und Europäerinnen erst noch bewiesen werden muss.

Neu ist, dass es die Kommission sieben Vizepräsidenten hat: sechs Vizepräsidenten und die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini. Jeder dieser Vizepräsidenten leitet ein Projektteam und dabei auch eine Reihe von Kommissaren, wobei sich die Zuordnung der Kommissare ändern kann, wenn die Entwicklung neuer Projekte dies im Laufe der Zeit erfordern sollte. So gibt es zum Beispiel die Projektteams „Arbeitsplätze, Wachstum, Investition und Wettbewerbsfähigkeit“, „Digitaler Binnenmarkt“ und „Energieunion“. Dies soll eine dynamische Interaktion aller Mitglieder des Kollegiums ermöglichen und das Schubladendenken und statische Strukturen aufbrechen. Soweit die Theorie.

Ein Erster Vizepräsident, der Niederländer Frans Timmermans, wird die rechte Hand Junckers werden. Er soll weitreichende Kompetenzen haben und darauf achten, dass die Kommission korrekt arbeitet. Was immer das bedeuten soll.

Die neue Zusammensetzung entnehmen Sie bitte der unten angefügten Grafik. Sie können diese auch größer anzeigen lassen, indem Sie einfach darauf klicken. Doch so groß Sie diese Grafik auch klicken werden, Begeisterung wird diese neue Kommission kaum auslösen. Europa macht genau so weiter wie bisher – als „Parkplatz“ für ehemalige Politikgrößen. Ob das ausreicht, um die riesigen Herausforderungen Europas der nächsten Jahre zu bestehen?

Ende Oktober muss das Europäische Parlement die Kommissare bestätigen, bevor diese offiziell vom Europäischen Rat benannt werden können. Doch die neue Zusammensetzung des Parlaments könnte dafür sorgen, dass viele Fragen zu den Fachkompetenzen der designierten Kommissare gestellt werden. Das wird dann allerdings spannend.

kommission europa eu artikel

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste