Die klebenden Klimaschützer nerven – und haben völlig Recht

Die „Letzte Generation“ hatte es angekündigt: Den ganzen Monat Mai über will sie den Verkehr in Berlin durch ihre Klebe-Blockaden lahmlegen. Doch die Autofahrer und der Staat finden keinen Umgang mit diesen jungen Leuten.

Dass Klima-Demonstranten wie Terroristen behandelt werden, ist unglaublich. Foto: Stefan Müller (climate stuff, 15 Mio views) from Germany / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Im Grunde müsste man dankbar sein, dass es noch engagierte junge Menschen gibt, die sich mit der vom Kapitalismus induzierten Zerstörung des Planeten Erde nicht einfach abgefunden haben, wie wir alle, die immer nur von „Sachzwängen“ und „Arbeitsplätzen“ reden, dafür aber in Kauf nehmen, dass die Profitgier der größten Umweltverschmutzer offenbar höher zu bewerten ist als das Bedürfnis vieler Milliarden Menschen, auf diesem Planeten zu überleben. Dass die Methoden der „Klima-Kleber“ nerven, ist bedauerlich, allerdings auch notwendig. Denn obwohl eigentlich jeder weiß, dass wir gerade dabei sind, die Erde unbewohnbar zu machen, ändert sich praktisch nichts. Also greift die „Letzte Generation“ zu medienwirksamen Methoden, um die Menschen aufzurütteln. Was sollen sie auch sonst tun? Brav weiter demonstrieren gehen, wie man das seit Jahrzehnten macht, ohne dass Politik und Wirtschaft reagieren?

Was will man der „Letzten Generation“ denn ernsthaft entgegenhalten, wenn diese auf Twitter sagt: „… die Fahrlässigkeit der Regierung im Angesicht drohender Ernteausfälle, Kriege und sozialen Verwerfungen zwingt uns, auf die Straße zu gehen.“ Dass alle diese Dinge zusammenhängen, das möchte niemand hören. Dass die Mächtigen der Welt nicht viel mehr auf die Reihe bekommen, als ständig schärfere Zielvorgaben zu definieren, während selbst die überholten Ziele nicht annähernd erreicht sind, wird den Planeten nicht retten. Insofern sind die Aktionen der „Letzten Generation“ eher als „Notwehr“ statt als „Öko-Terrorismus“ einzustufen.

Doch genau das tut der Staat, der angesichts dieser Klimaproteste wieder einmal völlig überfordert ist. So ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen Mitglieder der Gruppe „Letzte Generation“ und zwar wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Dieser Paragraf wird genutzt, um gegen Terroristen oder kriminelle Clans vorzugehen, aber gegen Klima-Protestler? Die noch dazu Recht haben, wenn sie ein Umdenken und vor allem konkretes Handeln fordern? Deren Motivation ist, dass sie auch morgen noch auf diesem Planeten leben wollen, wenn diejenigen, die sich der Zerstörung der Welt schuldig machen, längst tot sind? Eine „kriminelle Vereinigung“?!

Doch das repressive Verhalten des Staats motiviert auch immer mehr Autofahrer, gewalttätig gegen die Demonstranten vorzugehen. Da wird geschlagen, gezerrt, beleidigt und die Wutbürger, die sich auf Berlins Straßen mit Gewalt die freie Fahrt erobern wollen, haben bei ihren Ausfällen zumeist die Staatsmacht schützend hinter sich.

Natürlich nervt es, im Stau zu stehen. Doch wenn die Berliner Autofahrer auch morgen noch das Vergnügen haben wollen, in den Staus der Metropole zu stehen (denn die gibt es auch ohne Demonstranten), dann sollten sich pfleglicher mit den Klimaschützern umgehen. Denn wenn wir so weitermachen, wird es in absehbarer Zeit keine Staus mehr in Berlin geben, allerdings auch keine Menschen mehr.

Doch die Welt wird immer verrückter. Wenn wir heute schon Klimaschützer wie Terroristen behandeln, dann kann man sich ausrechnen, was als nächstes passieren wird. Daher an dieser Stelle – ein herzliches Dankeschön an diese jungen Leute, die den Mut haben, offen gegen den Wahnsinn von Politik und Wirtschaft vorzugehen. Tröstend ist für diese jungen Leute vielleicht, dass in Deutschland Geschichte die wahren Helden erst einmal als „Verbrecher“ abgestempelt werden, bevor man am Ende merkt, dass die Verbrecher diejenigen waren, die von einer Mehrheit für „die Guten“ gehalten wurden. Gerade die deutsche Geschichte ist voll von solchen „Irrtümern“.

Statt gegen die „Letzte Generation“ vorzugehen, sollte sich die Berliner Justiz lieber um diejenigen kümmern, die mit Gewalt gegen diese friedlichen Demonstranten vorgehen. Aber das würde ja bedeuten, dass man an höherer Stelle nachgedacht hat und Nachdenken ist, gerade in Berlin, eine Übung, die immer weniger Menschen im Politikzirkus beherrschen…

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