Die langsame Agonie der Demokratie
Auch, wenn die SPD in Brandenburg offensichtlich dank Dietmar Woidke gut abgeschnitten hat, kann das nicht über die allgemeine Politik- und Demokratie-Krise hinwegtäuschen.

(KL) – Es war einmal ein Politiksystem, das wurde Demokratie genannt. In diesem System war das Volk der oberste Souverän und seine Vertreter hatten die Aufgabe, den Willen des Volkes in Gesetze und Politik umzusetzen. Doch wo man hinschaut, funktioniert dieses System nicht mehr. Die wohl krassesten Beispiele sind momentan Venezuela und Frankreich, nachdem in beiden Ländern die Wahlergebnisse einfach ignoriert wurden und diejenigen, die eigentlich abgewählt wurden, mit allen möglichen Tricks und Kniffen weiterregieren, als hätten die Wahlen nicht stattgefunden.
Doch das Grundproblem, die langsame Aushöhlung der Demokratie, zeigt sich in verschiedenen Ländern lediglich auf unterschiedliche Arten, mal aufgeregter, mal militanter, mal zivilisierter, doch am Ende des Tages bleibt überall die gleiche Situation – die Demokraten verschwinden von der Bildfläche und die Extremisten übernehmen bereits die Tagespolitik, da sich niemand mehr traut mit Themen anzutreten, die nicht mit den Positionen der Extremisten kompatibel sind.
Die Situation in den drei Bundesländern, die im September gewählt haben, ist bezeichnend. Man versucht mit letzten politischen Kompromissen eine „Brandmauer“ gegen die Extremisten aufrecht zu halten, doch diese „Brandmauer“ bricht gerade wie in Zeitlupe zusammen. Es kann sein, dass man in einigen Bundesländern mit dem völlig unberechenbaren BSW zusammenarbeiten muss, um mit den Linksextremen zusammen die Rechtsextremen zu stoppen. Und auch das wird nicht mehr funktionieren.
Man könnte es natürlich auch so machen wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der aus persönlicher Eitelkeit und keineswegs aus politischem Kalkül das Heft des Handelns seiner neuen Regierung der Kontrolle des rechtsextremen Rassemblement-ex-Front National unterstellt hat, um wenigstens seine persönliche Macht noch ein wenig länger genießen zu können. Doch in allen Fällen sind die Leidtragenden die Völker Europas, die inzwischen fast systematisch von Menschen regiert werden, die keinerlei Mehrheit mehr repräsentieren, die undurchsichtige Interessen vertreten, die in alle möglichen Lobby-Skandale verwickelt sind und so endet, fast unbemerkt, das Konzept der Demokratie.
Die Rolle der Demokraten haben die Technokraten übernommen, die sich weiterhin brav durch die Parteiapparate dienen, um irgendwann selbst Chef-Technokrat zu werden. Diese Politiker-Generation verwaltet. Sie verwaltet Kriege, Terrorismus, soziale Verelendung, Krankheiten, die Zerstörung der Umwelt. Doch wäre ihre Aufgabe, in unser aller Interesse all diese Probleme nicht nur zu verwalten, sondern zu bekämpfen. Doch genau das tun sie nicht mehr, sondern erfüllen die Vorgaben derjenigen Organisationen, die ihre Wahlkämpfe finanzieren und anderweitig in das politische Geschehen eingreifen, wie beispielsweise die Rüstungs-, Pharma- oder Automobil-Lobbys.
Dass viele Menschen in solchen Entwicklungen in den Armen der Extremisten landen, ist wenig verwunderlich. Denn neben den Parteien, die inzwischen ausgedient haben, fehlen die Alternativen. Wenn man bedenkt, dass in Brandenburg das BSW aus dem Stegreif drittstärkste Partei wurde, noch vor der CDU, dann möchte man die Wähler fragen, wofür das BSW eigentlich steht. Das einzige, was man vom BSW mit Sicherheit sagen kann, ist dass es sich um keine traditionelle Partei handelt und das reicht schon, um Wahlerfolge zu erzielen.
Historisch gesehen folgt auf die Auflösung bestehender politischer Strukturen der Ruf nach dem „starken Mann“. Hierfür gibt es unzählige Beispiele in der Geschichte und es steht zu befürchten, dass wenn unsere Demokratien nicht mehr handlungsfähig sind, dieser Ruf nach dem „starken Mann“ wieder ertönt. Dies hat noch nie zu guten Entwicklungen geführt, doch offenbar ist die Menschheit dazu verdammt, die gleichen Fehler immer und immer wieder zu machen. Schade, die Demokratie war, wie Churchill schon sagte, zwar ein nicht perfektes System, aber das beste, das wir hatten. Was danach kommt, wird auf keinen Fall besser werden.
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