Die Macronie bringt „Big Brother“ nach Frankreich

Parlament und Senat diskutieren momentan ein „Experiment“ der Videoüberwachung per Algorithmus während der Olympischen Spiele 2024 in Paris. Und danach? Hier scheiden sich die Geister.

Sie sieht er aus, der feuchte Traum des französischen Präsidenten. Foto: Ventdorage / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Benjamin Franklin wird der Satz zugeschrieben „Wer bereit ist, Freiheit zu opfern, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder das eine noch das andere, und wird am Ende beides verlieren“. Genau das wartet nun auf Frankreich, wo die autoritäre Macron-Regierung die Gelegenheit der Olympischen Spiele 2024 in Paris nutzen will, um eine digitale Vollüberwachung der französischen Gesellschaft einzuführen. „Videoüberwachung per Algorithmus“ heißt das Projekt und es stimmt nachdenklich, dass sich die Mitglieder der Macron-Partei mit Händen, Füssen und fadenscheinigen Argumenten dagegen wehren, einen Endtermin für dieses „Experiment“ zu definieren. Das klingt nämlich so, als sei es gar kein „Experiment“, sondern der Versuch, die digitale Vollüberwachung der Franzosen über diesen Weg einzuführen.

Das geplante System ist der nächste Schritt hin zu den gesellschaftlichen Horror-Visionen eines George Orwell – basierend auf Systemen der Künstlichen Intelligenz, analysiert ein ständig weiter lernendes System, das natürlich mit digitaler Gesichtserkennung funktioniert, die Videobilder der in Paris installierten Videokameras und schlägt Alarm, sobald etwas auf einem Bild erscheint, was dem System seltsam erscheint. Genau solche Szenen kann man in „1984“ von George Orwell nachlesen und ganz offensichtlich, so zumindest die Debatte im französischen Senat, ist man bei der Macron-Partei nicht unbedingt erpicht darauf, ein so eingeführtes System später auch wieder abzuschaffen. Die Anträge der Opposition, einen Endtermin für dieses „Experiment“ festzulegen, wischten die Vertreter der Regierung einfach vom Tisch. Was dann wiederum darauf hinweist, dass die „Macronisten“ nicht die geringste Ambition haben, dieses System nach den Olympischen Spielen wieder abzuschaffen. Die digitale Vollüberwachung aller Franzosen ist eine Art feuchter Traum des französischen Präsidenten, der in der Abschaffung der individuellen Freiheiten das Wohl der Franzosen zu erkennen glaubt und der sich damit als Präsident nachhaltig disqualifiziert.

Es kann nicht Aufgabe eines Präsidenten sein, sein Volk unter Generalverdacht zu stellen und bis in die letzten Winkel ihres privaten Daseins auszuspionieren, vor lauter Angst, die Menschen könnten sich gegen die jämmerlich schlechte Amtsführung dieser Regierung organisieren. Doch Macron denkt nur bis zum Ende seiner Amtszeit, von der er natürlich hofft, dass er sie friedlich beenden kann, ohne von einem aufgebrachten Mob aus seinem Pariser Elysee-Palast gezerrt zu werden. Aber was passiert nach dem nächsten Regierungswechsel?

Wollen die Franzosen tatsächlich solche perfektionierten Überwachungsysteme in den Händen der künftigen rechtsextremen Regierung sehen? Man darf dabei auch nicht übersehen, dass die Grenzen jeder Künstlichen Intelligenz die menschenlichen Programmierer sind, die diese Systeme „füttern“. In ein solches System kann man als Alarm-Parameter sowohl „aggressiv auftretende Black Blocks“ definieren, als auch „friedlich demonstrierende Antifaschisten“. Das System, das, anders als sein Name sagt, zunächst einmal grottendämlich ist, wird den Alam auslösen, den die menschlichen Programmierer festgelegt haben. Das System selbst wird keine Unterscheidungen zwischen gerechtfertigten Alarmen und einer faschistoiden Auslegung der Parameter machen.

Dennoch fragt man sich, wo der abgrundtiefe Hass des französischen Präsidenten auf sein Volk herrührt. Dass dieser Mann, der sich selbst als „gottgleich“ empfindet, das Gefühl hat, den Franzosen so wenig trauen zu können, dass er sie rund um die Uhr mit allen Mitteln überwachen will, ist seltsam. Denn im Gegensatz zu ihrem Präsidenten kann man den Franzosen sehr wohl trauen und eine Vollüberwachung wäre eher in den Regierungspalästen angebracht als in den Privatwohnungen der Franzosen und auf der Straße.

Die Präsidentschaft von Emmanuel Macron wird wohl als der größte Irrtum der V. Republik in die Geschichtsbücher Eingang finden. Schwache Präsidenten hat es in der V. Republik etliche gegeben, doch nur einen, der eine derartige Mißachtung seines Volks und seines Landes an den Tag gelegt hat. Die nächsten Präsidentschaftswahlen in Frankreich, zu denen Macron aus Verfassungsgründen nicht mehr antreten darf, sind 2027. Bis dahin ist es noch ein sehr weiter Weg und man kann nur hoffen, dass der Mann nicht mehr genug Zeit hat, Frankreich von innen heraus zu zerstören. Projekte wie die digitale Totalüberwachung der Bevölkerung gehören zu den Dingen, mit denen Frankreich langsam, aber sicher, seine Seele verliert.

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