Die „Macronie“ frisst ihre Kinder

Jobs in der französischen Regierung unter Präsident Macron ähneln kurzen Zeitverträgen. Der bunt zusammengewürfelte Haufen zeichnet sich vor allem durch eines aus: eine sehr hohe Fluktuation.

Heute sehen die Kabinettssitzungen in Paris nicht viel anders aus als zu Zeiten von Louis-Philippe I.... Foto: Claudius Jacquand / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Nach seiner Wahl 2017 hatte Präsident Emmanuel Macron eine „Neue Welt“ versprochen, einen Bruch mit den ewig gleichen Ritualen der Macht, die Zerschlagung des politischen Establishments. Letzteres hat er mit Bravour geschafft. Die beiden traditionellen Volksparteien PS (Sozialisten) und LR (Konservative), die sich 40 Jahre lang brav im Wechsel die Macht geteilt hatten, sind in nur zwei Jahren von „Volksparteien“ zu „Splittergruppen“ geworden, die inzwischen bei jeder Wahl darum zittern müssen, ob sie nun ganz von der politischen Bühne verschwinden. So erzielte die PS, immerhin vor zwei Jahren noch die Regierungspartei mit Mehrheiten in Parlament und Senat, bei der Europawahl im Mai gerade mal 6 % der Stimmen. Doch das, was Emmanuel Macron an die Stelle der bisherigen Seilschaften der Macht gesetzt hat, ist keinen Deut besser. Statt einer „Neuen Welt“ erlebt Frankreich gerade ein Remake der „Alten Welt“, nur dass jetzt die Hauptrollen von Laiendarstellern besetzt sind.

In den ersten zwei Jahren seiner Regierung hat Emmanuel Macron bereits zehn Minister ersetzen müssen, die entweder nach Skandalen zurücktreten mussten oder entnervt das Handtuch geworfen haben. Daneben tauschte Macron auch noch 3 weitere Minister aus, die ihm nicht mehr ins Konzept passten. Macht 13 ersetzte Minister.

Aufmerksame Leser müssten jetzt eigentlich protestieren und darauf hinweisen, dass es nicht Präsident Macron ist, der das Kabinett bestimmt, sondern Premierminister Edouard Philippe. Da haben Sie natürlich Recht, zumindest auf dem Papier. In der Praxis ist heute Emmanuel Macron alles in Personalunion: Präsident, Regierungschef, Minister aller Ministerien, oberster Richter und Sonnengott – und sein Premierminister ist nicht viel mehr als das ausführende Organ des Willens des obersten Bosses.

Die Minister, die in diesen zwei Jahren aus dem Amt scheiden mussten, lassen sich in vier Kategorien unterteilen: a) diejenigen, die aufgrund von Skandalen das Amt niederlegen mussten, b) diejenigen, die selbst entnervt das Handtuch warfen und c) diejenigen, die Macron wegen erwiesener Unfähigkeit selbst vor die Tür setzte und d) diejenigen, die lieber für andere Posten kandidierten, um möglichst schnell diese Regierung zu verlassen.

Unter A) fallen: Sylvie Goulard (Verteidigung), François Bayrou (Justiz), Marielle de Sarnez (Europa) und Laure Flessel (Sport) und nun auch François De Rugy (Umwelt). In Kategorie B) gehören Nicolas Hulot (Umwelt) und Gérard Collomb (Inneres). C) betrifft Françoise Nissen (Kultur), Stéphane Travert (Landwirtschaft) und Jacques Mézard (Territorialer Zusammenhalt). D) umfasst Nathalie Loiseau (Europa, dann Spitzenkandidatin LREM für die Europawahl), Benjamin Griveaux (Regierungssprecher, Kandidat für die OB-Wahl in Paris) und Mounir Mahjoubi (Digitales, ebenfalls Kandidat für die OB-Wahl in Paris). Beeindruckend, es gibt kaum ein Portefeuille, das dieser „Reise nach Jerusalem“ entgangen wäre.

Jetzt könnte man sagen, dass der Präsident wenigstens flott reagiert, wenn in einem Ministerium nicht alles rund läuft. Könnte man. Aber man könnte auch sagen, dass die französische Regierung unter dem selbstherrlichen Emmanuel Macron ein ziemlich bunt zusammengewürfelter Haufen ist, bei dem es weniger auf Kompetenzen ankommt, als vielmehr auf die Garantie, dass der oder die Amtsinhaber.in dem obersten Boss keinen Schatten wirft. Denn im Grunde leiten die Minister keineswegs ihre jeweiligen Ministerien, sondern führen lediglich die Anweisungen des Chefs aus. Und der ist nicht etwas Premierminister Edouard Philippe, sondern Emmanuel Macron.

Die reichlich amateurhafte Besetzung des französischen Kabinetts lässt einige Rückschlüsse darauf zu, wie Frankreich gerade gemanagt wird – eben ziemlich amateurhaft. Es wäre vielleicht an der Zeit, dass Emmanuel „Jupiter“ Macron auch andere „Götter“ neben sich duldet und endlich anfängt, Posten nicht nach persönlichen Interessen, sondern im Interesse Frankreichs mit kompetenten Menschen zu besetzen. So, wie sich diese Regierung gerade darstellt, ist sie die beste Werbung für die Einrichtung einer „VI. Republik“. Denn die „V. Republik“ hat definitiv ausgedient.

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