Die Maus, die brüllte…

Ursula von der Leyen und die Europäische Kommission wollen ein Verfahren gegen Polen wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit einleiten. In Warschau kann man da nur grinsen...

Ursula von der Leyen würde ja gerne, aber die "Geschäftsordnung" der EU gibt das eben nicht her. Foto: Kuhlmann/MSC / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Tapfer, Ursula von der Leyen. Sie möchte ein Verfahren gegen Polen wegen der Einrichtung einer „Disziplinarkammer“ eröffnen, die unter Kontrolle der polnischen Regierung gegen Richter vorgehen kann, die Urteile fällen, die der Politik nicht gefallen. Dies ist natürlich ein Verstoß gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, da damit faktisch die Unabhängigkeit der Justiz aufgehoben und diese der Kontrolle durch die Politik unterstellt wird. Macht man sich jetzt in Warschau Sorgen? Natürlich nicht… denn im Einstimmigkeits-Europa kann sich Polen darauf verlassen, dass jedwede Sanktionen durch das Veto aus Ungarn verhindert werden.

Einmal mehr zeigt sich, dass die Europäische Union momentan nicht einmal über eine anwendbare Geschäftsordnung verfügt, mit der es möglich wäre, Verstöße gegen Grundprinzipien der Union zu ahnden. Und damit wird die EU immer mehr zur „Maus, die brüllte“, um den Titel eines hervorragenden Films mit Peter Sellers zu zitieren.

Solche, mit viel Verve angekündigten Prozeduren, entwickeln sich immer mehr zur Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme für hoch bezahlte europäische Juristen, die kiloweise Dokumente produzieren, wobei jedem klar ist, dass diese Prozeduren zu keinerlei Ergebnis führen werden. Der Europäische Gerichtshof, der zu dieser Frage gerade bemüht wird, könnte der EU-Kommission durchaus gestatten, ein solches Verfahren zu eröffnen. Prima. Am Ende steht dann das Veto Ungarns.

Zwar hat Polen angekündigt, diese „Disziplinarkammer“ auflösen zu wollen, nur – diese Kommission arbeitet munter weiter und untergräbt einmal mehr die demokratischen Prinzipien der EU, die mittlerweile kein „Muss“, sondern eine Option sind, an die man sich hält oder eben auch nicht. Doch wie will sich unsere Kontinental-Organisation im Weltkonzert Respekt verschaffen, wenn sie nicht einmal in der Lage ist, die eigenen Mitglieder auf Reihe zu bringen?

Seit Jahren und Jahrzehnten fordern Beobachter die europäischen Institutionen auf, sich zu reformieren und mit der Abschaffung der Einstimmigkeits-Regel zu beginnen. Doch scheint die Europäische Union unfähig zu sein, sich zu reformieren, sie beschränkt sich weitgehend darauf, sich selbst zu verwalten. Dass die EU damit selbst die Sinnfrage für ihre Existenz stellt, scheint man in Brüssel nicht so richtig zu verstehen. Offenbar hat selbst der Brexit die Brüsseler Beamten nicht aufgeweckt und es wird wohl erst weitere Austritte aus der EU geben müssen, bevor man sich endlich daran macht das zu entwickeln, was man am Tag nach dem entscheidenden Brexit-Referendum angekündigt hatte: die Ausarbeitung eines „neuen, europäischen Projekts“.

Doch in Brüssel übt man sich lieber weiter in dieser unerträglichen Selbstzufriedenheit. Im Rahmen von Pressekonferenzen Verfahren anzukündigen, von denen man weiß, dass sie keine Chance auf ein Ergebnis haben, das ist reine politische Kommunikation, die Aktionismus vermitteln will, aber lediglich aufzeigt, dass die EU leider immer mehr zur „Maus, die brüllte“, wird…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste