Die Merkel-Analysen (kommen viel zu früh!)

Viele Medien überschlagen sich gerade mit Analysen der „Ära Merkel“. Doch für diese Analysen ist es viel zu früh, denn die „Ära Merkel“ wird noch eine ganze Weile andauern.

Die "Ära Merkel" wird noch eine ganze Weile länger dauern als bis zum 26. September... Foto: European People's Party / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Nein, der 26. September 2021 ist nicht der Tag, an dem die „Ära Merkel“ endet. Auch, wenn sich gerade viele Medien in der Analyse dieser 16 Jahre unter der Kanzlerin Angela Merkel üben und sich die Frage stellen, ob Deutschland in diesen Jahren nach links, nach rechts oder in die Mitte gerückt ist, ob das Land netter, weltoffener, moderner geworden ist, so kommen all diese Analysen viel zu früh. Denn bis eine neue Regierung nach dem 26. September steht, bleibt Angela Merkel kommissarisch im Amt. Und während dieser kommissarischen „Bonus-Zeit“, stehen wichtige Themen an, bei denen Deutschland nicht fehlen darf, nur weil es schwierig ist, eine Drei-Parteien-Koalition zu bilden, auf die es allem Anschein nach hinausläuft.

Bereits 2017 dauerte es Monate, bis die „GroKo“ stand. Zähe Verhandlungen, der überraschende Rückzug der FDP aus den Verhandlungen, und all das war nur der Vorgeschmack auf das, was uns nach dem 26. September erwartet. Falls es keinen politischen Erdrutsch gibt, der ein ganz anderes Ergebnis als die Umfragetrends bringt, muss die nächste Koalition aus drei Parteien bestehen und das werden schwierige Verhandlungen werden. Verhandlungen, die noch länger dauern können als 2017. Doch die Welt und ihre Entwicklungen werden nicht darauf warten, dass sich CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke (mit den „Schmuddelkindern“ von der AfD will niemand koalieren) zu einem tragfähigen Regierungsprogramm zusammengerauft haben. Nach dem 26. September wird weiterregiert werden müssen und zwar – von Angela Merkel.

Themen wie das Management der nächsten Welle(n) der Pandemie, das Finden einer europäischen Position zu den Geschehnissen in Afghanistan, die Übernahme der EU-Präsidentschaft durch Frankreich und die damit verbundene Hoffnung, der ins Stottern geratene „deutsch-französische Motor Europas“ könne wieder gestartet werden, dazu alle Themen, die bis dahin spontan auftauchen und gemanagt werden müssen – all das wird noch in die „Ära Merkel“ fallen, einschließlich ihrer Rolle bei der Bildung einer neuen Regierung. Erst danach wird man in Ruhe die „Ära Merkel“ unter historischen Gesichtspunkten analysieren können.

Wie lange Regierungsbildungen dauern können, sieht man in Belgien, wo man bereits seit über 600 Tagen (!) darauf wartet, dass eine neue Regierung gebildet wird. Dabei fällt auf, dass der politische Alltag auch ohne Regierung funktioniert und dass die Parteien durchaus in der Lage sind, sich zu den aktuellen Themen im Interesse des Landes zusammenzuraufen.

Niemand kann heute sagen, wie lange es dauern wird, die nächste Berliner Koalition zu bilden. Bis das der Fall ist, regiert Angela Merkel eben weiter, und so lange dauert auch die „Ära Merkel“. Deren Schlussbilanz kann erst dann gezogen werden, wenn tatsächlich der oder die nächste Kanzler(in) ins Kanzleramt eingezogen ist und keinen Tag vorher.

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