Die Nerven liegen blank…

Nach fast 5 Monaten sozialer Unruhen, Anschlägen und nun auch noch des Brandes der Kathedrale Notre-Dame de Paris liegen in Frankreich die Nerven blank. Und es wird immer schlimmer.

"Wenn Tyrannei Gesetz wird, wird Revolution Pflicht" - man sollte keine Fremdwörter benutzen, deren Bedeutung man nicht kennt... Foto: Tyseria / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wohl selten hat man größeren Blödsinn in den sozialen Netzwerken gelesen als seit dem Brand von Notre-Dame de Paris. Die letzten fünf Monate sind den Franzosen arg auf das Gemüt geschlagen und offenbar wird es immer schwieriger, klar zu denken. Es wird Zeit, dass wieder Ruhe und ein wenig Linie in Frankreich einkehren und der einzige, der die Macht hat dies zu bewerkstelligen, ist Präsident Macron. Doch der macht genau das, was er seit seinem Amtsantritt macht. Er redet und redet und redet…

Wie wirr es mittlerweile in Frankreich aussieht, zeigen die Diskussionen rund um die Millionenspenden reicher französischer Familien für den Wiederaufbau von Notre-Dame de Paris. Mehrere Milliardärs-Familien sagten Spenden in Höhe von jeweils 100 bis 200 Millionen Euro zu, doch statt dass die Franzosen sich darüber freuen, stehen diese Familien nun am Pranger, da Spenden in Frankreich wie anderswo zu einem Steuerfreibetrag von 66% des Spendenbetrags führen. „Die wollen sich jetzt auch noch an unserem Unglück bereichern“, kann man in den sozialen Netzwerken lesen und selbst, als einer der Spender öffentlich erklärte, auf diesen Steuerfreibetrag zu verzichten, konnte dies die Gemüter nicht mehr beruhigen.

Inzwischen kann man in Frankreich nichts mehr tun, denken oder sagen, ohne dass irgendjemand auf die Barrikaden steigt. Eine seltsame Lust am Clash hat die Franzosen ergriffen, die Lust auf die Auseinandersetzung mit dem Staat, wenn irgend möglich, mit schierer, körperlicher Gewalt. Dafür ist inzwischen jeder Vorwand Recht und diese Lust auf Auseinandersetzung und Zerstörung findet erstaunlicherweise bei gut situierten Altlinken ein Echo, die gemütlich in ihren Philippe-Starck-Sofas sitzen und die Randale auf der Straße und in den Netzwerken weiter anfeuern. Die Themen, um die es geht, sind zum reinen Vorwand verkommen. Man stelle sich nur vor, die Superreichen hätten NICHT für Notre-Dame de Paris gespendet! Sie wären als Vaterlandsverräter beschimpft und an den Pranger gestellt worden. Nun spenden sie – und das Ergebnis ist das gleiche.

Für das Osterwochenende haben die „Gelbwesten“ ihren „Akt 23“ angekündigt, großspurig wie immer gekoppelt an ein „Ultimatum 2“. Wir brauchen gar nicht mehr vom Imageschaden für Frankreich zu sprechen – aber langsam braucht man Lösungen. Und genau die liefert der einzige, der im zentralistischen Frankreich überhaupt etwas entscheiden kann, immer noch nicht.

Politik ist in Frankreich heute fester Bestandteil des Show Business, was besonders für diejenigen Politiker und Politikerinnen ärgerlich ist, die sich bemühen, ernsthaft und im Interesse ihrer Landsleute Politik zu betreiben. Alles ist Show. Es ist Show, wenn sich der Präsident vor die TV-Kameras stellt und salbungsvoll erklärt, dass der Wiederaufbau von Notre-Dame innerhalb von 5 Jahren fertiggestellt werden soll. Vielleicht sollte man mit solchen Showeinlagen warten, bis die Experten den tatsächlichen Schaden ermittelt und einen Wiederaufbau-Plan erstellt haben?

Paris und Städten wie Toulouse oder Bordeaux steht schon wieder ein heißes Wochenende bevor. Dabei geht es nicht mehr um irgendwelche Forderungen, sondern darum, sich am Wochenende auszutoben, den Staat zu provozieren und sich hinterher als Opfer selbst zu bemitleiden. Wenn man überlegt, was eine Bewegung hätte erreichen können, die ein klein wenig intelligenter vorgegangen wäre, statt mit ihrer eigenen Mittelmäßigkeit zu kokettieren, kann man nur noch seufzen. Aus berechtigten sozialen Forderungen ist eine undurchsichtige, von zahlreichen extremistischen Kräften unterwanderte Bewegung geworden, die ihre Gewaltsamstage mit Forderungen wie dem „Frexit“ (rätselhaft, wie man angesichts des Brexit-Chaos den Wunsch verspüren kann, genau das gleiche zu erleben…), dem Sturz der Regierung, einer Volksabstimmungs-Demokratie und anderen seltsamen Dingen zu rechtfertigen versucht.

Heute reicht ein Funken, um das soziale Pulverfass Frankreich zum Explodieren zu bringen. Wo sind die Stimmen der Vernunft, die zur nationalen Verständigung aufrufen? Wo sind die Intellektuellen, deren Aufgabe es wäre, neue Sozialsysteme zu erfinden? Wo sind die erfahrenen Politiker, die wissen, wie man ein Projekt aufbaut?

Hoffen wir, dass die Ostertage in Paris nicht erneut zum Albtraum werden, dass sich die Gemüter über Ostern ein wenig beruhigen und dass Präsident Macron nach den Feiertagen endlich liefert. Sollte er das nicht tun, bewegt sich Frankreich auf einen gewaltsamen Umsturz zu.

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