Die „netten Neonazis“ von nebenan…

Glatzen gerieren sich als Kämpfer für Frauenrechte, Konservative geifern gegen Ausländer, besorgte Mitmenschen versuchen, Verhaltenskodizes für Moslems einzuführen – Deutschland steht Kopf.

Stimmt - seit wann sorgen sich Neonazis um Frauenrechte? Foto: Elke Wetzig / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Das Plakat, das eine Frau bei der Gegendemonstration gegen Rechtsextreme, Ausländerhasser und Neonazis in Köln hochhielt, sagt eigentlich schon alles: „Als hättet ihr pegidal verklemmten Spießer euch je für Frauenrechte interessiert?!“ – doch als Vorkämpfer für Frauenrechte wollten sich rund 1700 Neonazis am Wochenende in Köln tatsächlich präsentieren. Dabei gab es kaum eine Ideologie, die Frauen mehr als Gebärmaschinen und Arbeitsbienen in der Rüstungsindustrie herabwürdigte als die Naziideologie.

Köln ist verzweifelt, denn niemand weiß genau, wie man mit der Situation nach den Zwischenfällen der Sylvesternacht umgehen soll. Doch bei aller berechtigten Aufregung muss man festhalten, dass sexuelle Gewalt und Übergriffe nicht von den 1000 betrunkenen Kriminellen in der Sylvesternacht in Köln nach Deutschland gebracht wurde, sondern dass sexuelle Gewalt leider ein Phänomen ist, das in Deutschland ebenso beheimatet ist wie anderswo. Dass man sexuelle Gewalt mit allen Mitteln bekämpfen muss, steht außer Frage, doch ist das noch lange kein Grund, bei den Umzügen von Neonazis mitzumarschieren, die selbst sexuelle Gewalt und Herabwürdigung von Frauen fest in ihrem Weltbild verankert haben.

Sexuelle Gewalt ist also kein „Ausländerproblem“ und kann folglich auch nicht dadurch bekämpft werden, dass man Ausländer unter einen Generalverdacht stellt, die Gesetzgebung ändert, um Ausweisungen und Abschiebungen zu erleichtern, sondern nur über den Weg einer tiefgreifenden Veränderung der Wahrnehmung von Frauen, die sich genauso auf Deutsche und Europäer wie auf Ausländer bezieht. Die aktuellen Forderungen der Politik gehen also ziemlich weit am Ziel vorbei und die Forderungen der Neonazis lohnen überhaupt nicht, dass man näher auf sie eingeht.

Zum Glück gibt es in Deutschland eine stärkere Gegenbewegung gegen die rechtsextremen Populisten als in anderen europäischen Ländern, die gerade eines nach dem anderen in die Fänge der populistischen Rattenfänger geraten, die den Menschen alle das gleiche erzählen – dass die Fremden alle kriminell sind, dass man den eigenen Wohlstand schützen muss und dass nur der Neonationalismus das Wohl und Heil des eigenen Landes sichern kann. Da muss man sich doch die Frage stellen, ob in den letzten Jahrzehnten in ganz Europa der Geschichtsunterricht zu kurz gekommen ist – ansonsten wüsste man, dass diese Ideologie alleine im letzten Jahrhundert über 40 Millionen Menschenleben gekostet hat.

Doch auch die Vorstellung, dass die Vermittlung von Verhaltenskodizes für moslemische Mitbürger irgendetwas bringen würden, geht an der Sache vorbei. Denn das, was in Köln passiert ist, steht mit keiner Religion und keinem gesellschaftlichen Kodex in Einklang – die Vorkommnisse waren kriminell und beruhen sicher nicht auf einem „kulturellem Missverständnis“. Insofern sind solche Kodizes sicher nett gedacht, haben aber mit dem, was passiert ist, nicht das Geringste zu tun.

Bevor man sich aber jetzt den Neonazis als „Heilsbringern“ an den Hals wirft, sollte man sich vor Augen führen, dass es den „netten Neonazi“ nicht gibt und das können zahlreiche „linke“ Frauen, die in den letzten Jahren von Neonazis angegriffen und übel zugerichtet wurden, gerne bestätigen. Insofern wäre es vermutlich angebracht, die Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten, um die sich inzwischen nicht nur die Politik, sondern auch das Bundeskriminalamt kümmern, und erst nach einer gründlichen Analyse dieser seltsamen, hoch kriminellen Zwischenfälle Schlussfolgerungen ziehen. Nur eines steht heute bereits fest – was immer auch das Problem sein mag – Neonazis können weder eine Lösung bringen oder darstellen. Von diesen Leuten sollte man nur eines halten – Abstand.

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