Die neue Devise Europas: „Solidarität, Verantwortung, Entschlossenheit“

In einer erstaunlich emotionalen Rede ging der französische Präsident François Hollande an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel Punkt für Punkt die aktuellen Krisen durch. Ein deutsch-französisches Highlight.

François Hollande verkündete gestern in Straßburg die neue Devise Europas - "Solidarität, Verantwortung, Entschlossenheit". Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Da wirft man dem französischen Präsidenten François Hollande so häufig sein „Buchhalter-Image“ vor, seinen Mangel an Charisma, an Begeisterungsfähigkeit. Doch der gemeinsame Auftritt mit Angela Merkel vor dem Europäischen Parlament war ein großer, deutsch-französischer Moment, der dem letzten gemeinsamen Auftritt eines französischen Präsidenten und eines Bundeskanzlers 1989 vor den europäischen Abgeordneten in nichts nachstand. Damals hatten François Mitterand und Helmut Kohl für ein neues, vereintes Europa geworben und genau das taten Hollande und Merkel gestern auch. Und neben der nach ihrer Reise nach Indien etwas von Jetlag gezeichneten Bundeskanzlerin ging der französische Präsident sogar als Punktsieger hervor.

In seiner glänzenden Rede gab Hollande auch gleich die neue Devise Europas aus, die nicht „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ lautet, sondern „Solidarität, Verantwortung, Entschlossenheit“ – und dann ging er Punkt für Punkt auf die einzelnen Elemente dieser Devise ein. Mit zum Teil bemerkenswerten Aussagen.

„Wir müssen mit der Angst leben, doch dürften wir uns nicht von der Angst dominieren lassen“, rief der französische Präsident und brach dann eine Lanze für mehr europäische Solidarität. So forderte er die europäische Solidarität im Kampf gegen den Terrorismus ein, für den Umgang mit den Flüchtlingen auf dem Mittleren Orient und aus Afrika, mit den Anrainer-Ländern der Krisenregionen, die bislang die größte Anzahl Flüchtlinge aufgenommen haben, also mit der Türkei, mit Griechenland und Italien, aber auch mit den Balkan-Staaten. Dabei warnte er eindrücklich vor den Gefahren des in Europa wieder aufkeimenden Nationalismus, den er als „Gefahr für das europäische Projekt“ bezeichnete. Und neben ihm nickte zustimmend die Bundeskanzlerin.

Zum Thema „Verantwortung“ sagte Hollande, dass die Verhandlungen in der Griechenland-Krise ein gutes Beispiel waren, wie Europa mit einer solchen Situation verantwortungsvoll umgehen kann. Doch die Verantwortung, so Hollande, bezieht sich ebenso auf die Situation in Syrien, wo Frankreich beschlossen habe, das Problem militärisch anzugehen. Nun erwarte er von den übrigen europäischen Ländern ein verantwortungsvolles Handeln, beispielsweise durch hohen Einsatz in der humanitären Hilfe. Denn, so der französische Präsident, „man kann die Frage nicht auf die Wahl zwischen dem IS und Bachir al-Assad reduzieren“. Wenn man Frieden in der Region will.

Auf das Thema „Syrien“ kam Hollande erneut beim Thema „Entschlossenheit“ zu sprechen, als er Assad vorwarf, die ganze Region zu destabilisieren und einen Krieg gegen sein eigenes Volk zu führen. Doch die europäische und deutsch-französische Entschlossenheit machte Hollande auch in den Verhandlungen zur Ukraine-Krise aus, als er von den Verhandlungen im „Normandie-Format“ sprach (also zwischen Frankreich, Deutschland, der Ukraine und Russland). „Wir brauchen mehr Solidarität mit den anderen“, rief der französische Präsident mit einem Anflug von Pathos aus, „wir brauchen mehr Europa!“

Und – am Ende seiner 25minütigen Rede erhielt Hollande nicht nur anhaltenden Applaus, sondern sogar von gut der Hälfte der Europaabgeordneten „standing ovations“. Es war ein großer deutsch-französischer Moment gestern im Europäischen Parlament in Straßburg und François Hollande und Angela Merkel haben eines sicher geschafft – ganz Europa zu zeigen, dass Deutschland und Frankreich fest gewillt sind, Europa durch die aktuellen Krisen zu steuern. Gemeinsam, abgestimmt und auf der Grundlage von humanistischen Werten. Jetzt müssen sie es nur noch tun.

1 Kommentar zu Die neue Devise Europas: „Solidarität, Verantwortung, Entschlossenheit“

  1. Beaucoup de beaux principes, mais pas de feuille de route, pour aller clairement vers une Europe fédérale.
    Ces deux interventions manquaient cruellement de souffle.

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