Die Notbremse für die Notbremse

Angela Merkel schaltet einen Gang hoch. Bereits nächste Woche liegt dem Bundestag ein Gesetzentwurf vor, nachdem die Entscheidungs-Kompetenz bei Pandemien an den Bund geht.

Mit dem "Einspruchgesetz" nimmt Angela Merkel die Corona-Zügel wieder in die Hand... Foto: Alexander Kurz / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland haben sich in der seit über einem Jahr andauernden Pandemie als unzuverlässige Kantonisten erwiesen. Statt das Interesse des ganzen Landes in den Mittelpunkt zu stellen, kocht jeder sein eigenes Süppchen, trifft Entscheidungen, mit denen teilweise sogar die Anstrengungen der Nachbarländer zunichte gemacht werden, und einige Ministerpräsidenten haben sogar Wahlkampf mit populistischen Lockerungen betrieben, die nichts anderes zur Folge hatten als eine weitere Ausbreitung des Virus.

Die Beschlüsse der Ministerpräsidenten-Konferenz werden von den Ministerpräsidenten nur dann umgesetzt, wenn diese das gerade möchten. Nicht einmal der gemeinsam beschlossene Lockdown bis zum 18. April wird eingehalten – das Saarland hat bereits seit einer Woche Terrassen und Kulturorte wieder eröffnet und verzeichnet dabei einen ähnlichen „Erfolg“ wie Boris Palmer in Tübingen: Die „Maßnahmen“ führen zu einer Steigerung der Inzidenz und nicht etwa zu deren Absinken.

Damit die unberechenbaren Ministerpräsidenten der Bundesrepublik keinen weiteren Schaden zufügen können, zieht Angela Merkel jetzt die „Notbremse für die Notbremse“. Künftig soll die Entscheidungskompetenz in der Corona-Pandemie an den Bund übertragen werden, um zu verhindern, dass die Ministerpräsidenten die Lage unnötig verschlimmern. Merkels Kanzleramtsminister Helge Braun wird noch am Wochenende den entsprechenden Gesetzentwurf an Bundestag und Länder senden und da auch der Koalitionspartner SPD signalisiert hat, diesen Gesetzentwurf mitzutragen, wird er sehr schnell verabschiedet werden.

Der Name dieses neuen Gesetzes klingt seltsam: „Einspruchgesetz“. - Dieses Gesetz sieht vor, dass Pandemie-Maßnahmen von der Bundesregierung getroffen und als Anweisungen an die Länder weitergereicht werden. Diese haben dann die Möglichkeit, wenn sie nicht einverstanden sind, Einspruch einzulegen, doch dieser Einspruch kann ohne weiteres vom Bundestag überstimmt werden. In einem solchen Fall sind dann die getroffenen Maßnahmen umzusetzen, ob dies einem saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans nun passt oder nicht. Wenn also künftig eine „Notbremse“ gezogen werden muss, dann wird dies in Berlin passieren und muss von den Ländern umgesetzt werden. Damit wird dieses neue Gesetz quasi zur „Notbremse für die Notbremse“.

Angela Merkel hat sich lange genug von profilierungssüchtigen Ministerpräsidenten auf der Nase herum tanzen lassen. Dass dabei die Inkohärenzen der Länder die Gesamtbevölkerung ernsthaft gefährdet haben, mag den jeweiligen Regionalfürsten egal sein, der Bundeskanzlerin, die für Wohl und Wehe der Gesamtbevölkerung verantwortlich ist, aber nicht.

Man darf gespannt sein, welchen Weg dieses „Einspruchsgesetz“ gehen wird. Dass es durch den Bundestag segeln wird, ist klar. Dann wird es spannend. Wird dieses Gesetz auch den Bundesrat passieren oder werden die Vertreter der Länder versuchen, dieses Gesetz zu sabotieren? Verhindern können sie es in letzter Konsequenz nicht, allerdings können sie das Verfahren in die Länge ziehen. Dann allerdings würden sie sich dem berechtigten Vorwurf aussetzen, dass sie nicht im Interesse der Bundesrepublik handeln, sondern aus Eigeninteressen, was die handelnden Personen eigentlich auf Dauer unwählbar macht.

Dies ist nicht etwa die Abkehr vom ansonsten sehr gut funktionierenden Föderalismus, sondern die Anpassung eines Systems auf eine Situation, die bei Schaffung dieses Systems nicht vorgesehen war. Auf Realitäten realistisch zu reagieren, das ist keine schlechte Sache. Daher – Go, Angela!

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