Die Politik tut’s nicht – also engagieren sich die Bürger

Eine Europäische Bürgerinitiative kämpft für die Abschaffung von Briefkasten- und Scheinfirmen, mit denen Big Business prächtig Steuern vermeidet und seine Gewinne potenziert.

Eine Europäische Bürgerinitiative kämpft für mehr Gerechtigkeit in Europa - was eigentlich der Job unserer Europapolitiker wäre... Foto: www.transparencyforall.org

(KL) – Am Dienstag, den 19. Mai 2015 um 17 Uhr, können Sie Farbe bekennen. Im Straßburger „Lieu d‘Europe“ (in der Nähe des Europäischen Parlaments, 8 Rue Boecklin, Tramlinie E) findet ein Treffen statt, bei dem es darum geht, eine Europäische Bürgerinitiative zu unterstützen, die gerade versucht, eine Million Unterschriften zu sammeln, um die Europäische Kommission und in der Folge das Parlament zu zwingen, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie man der Steuervermeidung der größten Unternehmen der Welt stoppen kann, die nach Schätzungen jedes Jahr in Europa eine Billion Euro an Steuern vermeiden und damit einen großen Anteil an den aktuellen Krisen in Europa haben. Die Initiative, die man im Internet unterzeichnen kann und die von www.transparencyforall.org getragen wird, möchte die hohe Politik zwingen, endlich das zu tun, was nötig ist, um die Interessen der 500 Millionen Europäerinnen und Europäer zu wahren.

Das System ist einfach und inzwischen wohl bekannt – große multinationale Konzerne siedeln ihre Europazentralen in einem Steuervermeidungsparadies wie Luxemburg an, von wo aus sie die Gewinne und Verluste ihrer jeweiligen Landesniederlassungen so steuern, dass keine oder kaum Steuern anfallen. Einige dieser Konzerne sind dabei so dreist, dass sie in Luxemburg eine Firma anmelden, deren einziger Geschäftszweck das „Management der Lizenzgebühren“ für die eigene Marke ist. Diese Lizenzgebühr wird jährlich neu festgesetzt, und zwar praktisch in der Höhe der angefallenen Gewinne in den einzelnen Ländern. Dank des unter dem heutigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker eingerichteten Systems zahlen diese Firmen in Luxemburg kaum Steuern – und berauben somit die übrigen europäischen Länder ihrer eigentlich angefallenen Steuern.

Als dieses „Luxemburger System“ kurz nach den letzten Europawahlen an die Öffentlichkeit kam, schlugen die Wellen kurz hoch, es wurde ewig diskutiert, ob das Parlament einen Untersuchungsausschuss einsetzen solle, um die Machenschaften des früheren Luxemburger Ministerpräsidenten Juncker zu durchleuchten, doch ging dieser Skandal den gleichen Weg wie viele andere politische Skandale auch – er wurde ausgesessen und schließlich von der Tagesaktualität ausgeblendet.

Doch „transparencyforall.org“ will dafür sorgen, dass diejenigen Politiker, die am liebsten den Mantel des Schweigens über diesen Skandal ausbreiten würden, sich dennoch damit beschäftigen müssen. In Zeiten, in denen HartzIV-Empfänger durchleuchtet und bestraft werden, wenn sie vergessen, 50 € von der Oma anzugeben, kann es nicht sein, dass sich Großkonzerne mit der Billigung gewählter Volksvertreter die Taschen füllen, dafür aber „ganz legal“ die Steuern in den EU-Mitgliedsstaaten vermeiden.

Das Instrument der „Europäischen Bürgerinitiative“, präsentiert als fortschrittliches Werkzeug einer echten Bürgerbeteiligung, muss nun seine Nagelprobe bestehen. Denn es gab bereits eine andere solche Initiative, die sogar weitaus mehr als eine Million Unterschriften gesammelt hatte, nämlich gegen das geplante TTIP. Doch diese Initiative wurde unter dem Vorwand formaler Unzulänglichkeiten nicht berücksichtigt, was den Verdacht nahe legt, dass man nur solche Bürgerinitiativen akzeptieren will, die den gerade Regierenden in den Kram passen – nur hat so etwas mit „Bürgerbeteiligung“ nichts mehr zu tun. Sondern wird zur Alibi-Veranstaltung.

Zum Glück gibt es noch solche Initiativen, die versuchen, die Rechte der Menschen in Europa zu verteidigen – ganz offensichtlich sind die hierfür gewählten europäischen Volksvertreter dazu nicht in der Lage oder verzichten aus anderen, kaum nachvollziehbaren Gründen darauf.

„Für ein gerechteres Europa, neutralisieren wir die Scheinfirmen“, so der Titel der Veranstaltung, die am Dienstag im „Lieu d‘Europe“ stattfindet. Verschiedene Organisationen und Initiativen wollen gemeinsam mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern überlegen, wie man diese Europäische Bürgerinitiative mit Schwung nach vorne bringen kann.

Da die Rettung eines humanistischen und sozialen Europas sicher nicht von korrupten Brüsseler Lobbys und deren Erfüllungsgehilfen getragen wird, erhalten Bürgerinitiativen eine ganz neue, viel größere Bedeutung. Denn das Konzept „Europa“ ist inzwischen nicht nur von Terrorismus, Finanzkrisen und Extremismus bedroht, sondern auch von der eigenen politischen Führungsriege, die fast systematisch gegen die Interessen der Menschen und für die Interessen der Wirtschaft arbeitet.

Das ist der Weg in die Zukunft Europas – nicht über verkrustete Parteiapparate, nicht über korrupte Lobbys und abgehalfterte Politiker, sondern über sinnvolle Initiativen aus dem Herzen der Gesellschaft. Auf europapolitischer Ebene sollte man diese Entwicklung ernst nehmen und sinnvollerweise mittragen – denn die Politik kann nicht uns Völker abschaffen, doch wir sind in der Lage, diese Politikergeneration abzuwählen.

Daher – Rendezvous am Dienstag um 17 Uhr im Lieu d’Europe in Straßburg – damit Europa doch noch eine Chance hat!

Weitere Informationen unter www.transparencyforall.org!

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