Die rechtsextreme Gefahr in Ostfrankreich nimmt Formen an

Je näher der Wahltermin für die Regionalwahlen in Ostfrankreich rückt, desto mehr steigt der rechtsextreme Front National in den Umfragen. Ob die Ostfranzosen ahnen, was sie da machen?

Der rechtsextreme Florian Philippot hat sich in den Umfragen für die Regionalwahlen in Ostfrankreich auf den ersten Platz geschoben. Foto: Gauthier Bouchet / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Am 6. und am 13. Dezember 2015 wählen die Franzosen ihre 13 Regionalparlamente für die neuen Großregionen, die ab dem 1. Januar 2016 eine Realität werden. Und die Stimmung ist in der Region Elsass-Lothringen-Champagne-Ardenne genau so wie in vielen anderen französischen Regionen – aus lauter Verzweiflung über die nachhaltige Schwäche der regierenden PS und die endlosen Streitereien und Skandale der konservativen „Republikaner“ wenden sich immer mehr Wählerinnen und Wähler dem rechtextremen Front National zu. In einer aktuellen Umfrage liegt der Kandidat der Rechtsextremen in der ostfranzösischen Großregion, Florian Philippot, sogar für den ersten Wahlgang in Führung. Die bürgerlichen Parteien geraten immer mehr unter Druck.

Nach der Umfrage des Instituts Odoxa (im Auftrag von Le Parisien / Dimanche) liegt Philippot gerade im ersten Wahlgang bei 32 %, der konservative Kandidat Philippe Richert (Republikaner) fällt auf 30 % zurück, der sozialistische Kandidat Jean-Pierre Masseret käme auf 19 %, Patrick Peron vom linksextremen Front de Gauche würde bei 6,5 % landen, Sandrine Bélier von den Grünen käme auf 6 % und die autonomistischen Gruppierungen liegen abgeschlagen bei 2,5 % (Debout la France), 2 % (Unser Land) und der Rest der Kandidaten wird ebenfalls keine Rolle spielen.

Für den zweiten, entscheidenden Wahlgang, sieht die Prognose Philippe Richert mit 37 % vorne, doch Philippot liegt mit 35 % knapp dahinter, während Masseret mit 28 % wohl kaum eine Chance haben wird. Von den anderen Kandidaten wird es keiner in den zweiten Wahlgang schaffen.

Diese Umfrage ist gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert. Zum einen ist die Tatsache, dass der Kandidat des Front National sich an die erste Stelle geschoben hat, ein deutliches Warnsignal, ebenso wie die 2 %, die Philippot und Richert im zweiten Wahlgang trennen. Bei der Unschärfe der aktuellen Umfragen, in denen das tatsächliche Ergebnis häufig um mehrere Prozentpunkte von den Umfragen abweicht, wird die Wahl in Ostfrankreich spannender, als man sich das wünschen kann. Die Region läuft tatsächlich Gefahr, den Rechtsextremen in die Hände zu fallen und es scheint den Ostfranzosen nicht klar zu sein, dass sie gerade dabei sind, mit dem Feuer zu spielen.

Zum anderen bestätigt diese Umfrage, das, was auch zuletzt andere Umfragen gezeigt hatten – so sehr sich die elsässischen Autonomisten auch als „Volksbewegung“ dazustellen versuchen, sie sind es eben einfach nicht. Dadurch, dass die Autonomisten gemeinsame Sache mit den Rechtsextremen gemacht haben (und zum anderen teilweise auch selbst nicht frei von rechtsextremem Gedankengut sind), sind und bleiben sie in der politischen Bedeutungslosigkeit. Denn wer rechtsextrem wählen will, der wählt eben den Front National. Der sicherlich von den Aktionen der Autonomisten profitiert und das vielleicht sogar bis zum 13. Dezember.

Die Konsequenzen, die ein Erfolg der Rechtsextremen in der neuen ostfranzösischen Grenzregion hätte, sind kaum auszudenken. Denn immerhin spricht sich der Front National offen gegen die Europäische Union aus, will europäische Errungenschaften wie das Schengenabkommen beenden und am liebsten aus dem Euro aussteigen. Klar ist, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die in keiner anderen französischen Region eine so große Rolle spielt wie in Ostfrankreich mit gleich vier Nachbarländern, durch einen Erfolg des Front National ernsthaft gefährdet wäre.

Philippe Richert sollte sich auf seinen zwei Pünktchen Vorsprung, die er im zweiten Wahlgang gegenüber Philippot zu holen hofft, nicht ausruhen. Denn zum einen geht der Trend weiter in Richtung Front National, zum anderen wird diese Wahl nicht von den traditionellen Wählerinnen und Wählern der Parteien entschieden werden, sondern von dem Heer der Nichtwähler, die auch bei dieser Wahl wieder die „stärkste“ politische Gruppierung stellen werden. Derjenige, der es schafft, zwischen den beiden Wahlgängen die meisten Nichtwähler zu mobilisieren, wir die neue ostfranzösische „Mega-Region“ übernehmen – und da stehen die Chancen für den rechtsextremen Philippot besser als für Richert, denn Richert wird Probleme haben, in der einen Woche zwischen den Wahlgängen eine Dynamik zu erzeugen, die den Wählern vermitteln könnte, dass sich etwas ändern kann.

Niemand sollte sich darauf verlassen, dass der „republikanische Reflex“, der Frankreich schon 2002 im letzten Moment vor einem Präsidenten Jean-Marie Le Pen bewahrt hatte, immer und immer wieder greift. Im Gegenteil – viele Wähler fragen sich, warum sie eigentlich immer weiter die Republikaner (ex-UMP) oder die Sozialisten wählen sollen, nachdem sowohl die einen wie auch die anderen in der Regierungsverantwortung ziemlich versagt haben.

Doch sollte das Versagen der traditionellen Parteien kein Grund sein, eine aggressive und rechtsextreme Formation an die Macht zu bringen – es gibt europäische Beispiele aus dem letzten Jahrhundert, die aufzeigen, dass so ein Wahlverhalten der Vorbote schlimmer und schlimmster Katastrophen sein kann.

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