Die Rechtsextremen und die gestörte Körperlichkeit

Während sich die deutschen Rechtsextremen der AfD auf ihrem Parteitag in Stuttgart zu mächtigem Blödsinn verstiegen, waren die französischen Rechtsextremen des Front National bei ihrem traditionellen 1. Mai-Meeting von nackter Haut irritiert.

Müssen Polizei und Rechtsextreme wirklich mit Gewalt gegen friedlich und witzig protestierende FEMEN-Aktivistinnen vorgehen? Sicher nicht... Foto: Joseph Paris / Wikimedia Commons / CC-SA 2.0

(KL) – Gäbe es FEMEN nicht, diese politisch-militante Frauenbewegung, die 2008 in der Ukraine gegründet wurde, würde der politischen Landschaft in Europa etwas fehlen. So staunten die Rechtsextremen des Front National am 1. Mai bei ihrem traditionellen Bankett in Paris nicht schlecht, als plötzlich eine ganze Gruppe von FEMEN-Aktivistinnen auftauchte und mit Champagner und viel Getöse auf das „Ende des Front National“ anstieß und den knorrigen Rechtsextremen ans Herz legte, „doch lieber in ihren Löchern zu bleiben“. Am Vormittag hatten FEMEN-Aktivistinnen bereits in goldenen Röckchen und mit nacktem Oberkörper den Platz der Oper in Paris gefegt, um ihn „von dem Hass, den Marine Le Pen hier normalerweise verschüttet, zu reinigen“. Großartig. Doch vor dem Bankett im Norden von Paris hatten sowohl die Rechtsextremen als auch die eilig gerufene Polizei offenbar Schwierigkeiten mit der nackten Haut der Aktivistinnen.

Im Grunde war es eine tolle politische Party. Bewaffnet mit Champagnerflaschen (zum Trinken, nicht zum Werfen…) erschienen die FEMEN-Frauen, riefen Slogans und machten publikumswirksam Lärm. Der Anblick der politisch bewegten Frauen mit nacktem Oberkörper war dann für den Ordnungsdienst der Rechtsextremen und die Polizei zu viel. Mit völlig überzogener Gewalt gingen die Schläger mit und ohne Uniform auf die Aktivistinnen los, die sich zu keinem Zeitpunkt gefährlich oder aggressiv gezeigt hatten, warfen diese zu Boden, schlugen sie, nahmen sie in den Würgergriff, um die in Polizeigewahrsam zu bringen. Dabei zeigten die Rechtsextremen, dass sie wirklich neben der Rolle sind – „Überrollt sie mit euren LKWs!“, grölten die Rechtsextremen, „fasst sie ja nicht zu sanft an!“

Jeder Psychologe hätte diese Rechtsextremen wohl gerne auf der Couch liegen, denn diese Aggressivität hat sicherlich viel mit einer unterdrückten Sexualität zu tun, die sich in solchem Gegeifer entlädt. Dabei war die Aktion der FEMEN-Aktivistinnen ja absolut friedlich und witzig. Halbnackte junge Frauen stellen allerdings nun wirklich keine Bedrohung dar und müssen daher auch nicht manu militari aus dem Verkehr gezogen werden. Die überzogene Reaktion verrät viel über die Defizite bei Menschen, die rechtsextrem wählen…

Die zugeknöpfte Marine Le Pen war natürlich auch geschockt. Sie beklagte sich über die „unzulässige Aggression dieser obszönen Drachen“, wobei man natürlich ins Grübeln kommt, wenn eine Art Drachen, deren politische Positionen zum Teil mehr als obszön sind, mit solchen Aussagen um sich wirft. Wer ist hier der Drachen, wer ist obszön, wer ist aggressiv?

Doch der ansonsten medientechnisch sehr smarte Front National hat sich mit seiner Prüderie selbst einen Bärendienst erwiesen. Denn durch die überzogenen Reaktionen bekamen die Aktionen der FEMEN-Aktivistinnen erst die mediale Aufmerksamkeit, die sie auch verdienten. Und der Front National steht auf einmal wieder mit dem passenden Image in der Öffentlichkeit – als Ansammlung verklemmter, prüder, freudloser Ewiggestriger. Danke, FEMEN!

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