The same procedure as every saturday

Zu ihrem Jahrestag, dem „Akt 53“, haben die französischen „Gelbwesten“ das veranstaltet, was sie seit einem Jahr tun – brennende Autos, Prügeleien mit der Polizei, eingeworfene Schaufenster.

Zwar ist die Mehrheit der Franzosen für soziale Reformen, aber sie hat auch die Nase voll von den samstäglichen Bildern einer sterilen Gewalt. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Ob es nun am Samstag 28.000 Demonstranten waren oder 39.500, so die Angaben des Innenministeriums und der „Gelbwesten“ selbst, das spielt eigentlich keine Rolle. Tatsache ist, dass diejenigen, die behaupten, „das Volk“ zu sein, landesweit gerade mal ein Fußballstadion füllen könnten. Im Laufe eines Jahres sind die „Gelbwesten“ um den Faktor 10 geschrumpft und weigern sich nach wie vor zu erkennen, dass ihre Aktionsformen genau das verhindern, was sie gerne hätten – eine massenhafte Mobilisierung.

Nach wie vor zeigen die Umfragen, dass die Franzosen immer noch mehrheitlich die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit unterstützen, doch die gleichen Umfragen zeigen, dass sie von den immer gleichen Wochenenden die Nase voll haben und sich ein Ende dieser immer wieder gewalttätigen “Akte” wünschen. Wie in einem Ritual ziehen jeden Samstag immer weniger „Gelbwesten“ durch die französischen Städte, jeden Samstag sind sie ganz überrascht, dass randalierende “Black Blocks” das KOmmando übernehmen und jeden Samstag werden Scheiben eingeworfen, Autos angezündet, Schlägereien mit der Polizei angezettelt, Feuerwehrleute mit Steinen beworfen und Dutzende verhaftet und verletzt. Diese sterile Gewalt ist genau der Grund für das Zusammenschrumpfen dieser „Bewegung“ – die „Gelbwesten“ haben schlicht und ergreifend den Moment verpasst, in dem sie bedeutende soziale Veränderungen hätten einleiten können. Doch besoffen von ihrer eigenen Macht sind sie an dieser Chance vorbeigelaufen – und erhalten immer weniger Zulauf für ihre samstäglichen Gewaltorgien.

Mag sein, dass das „gelbe Feuer“ noch ein paar Mal auflodert, wie am kommenden 5. Dezember, zu dem ein Aktionstag ausgerufen wurde, der auch von anderen Organisationen mit getragen wird und eine Art Generalstreik werden soll. Nur, solche Aktionstage haben die „Gelbwesten“ schon oft veranstaltet: Europaweiter Aktionstag, weltweiter Aktionstag, Generalstreik und jede dieser vollmundig angekündigten Veranstaltungen war ein Flopp. Verständlich, denn auch, wenn die Franzosen die ursprünglichen Forderungen der „Gelbwesten“ immer noch unterstützen, ist deren Zusammengehen mit den Schlägern der „Black Blocks“ geradezu abschreckend. Auch, wenn die “Geldbwesten” jedes Wochenende gebetsartig wiederholen „das sind nicht wir, das sind die bösen Black Blocks“, ist völlig klar, dass die Schläger nicht etwa gegen den Willen der Demonstranten in Gelb agieren, sondern in engster Zusammenarbeit. Bei den Gegendemonstrationen gegen den G7-Gipfel in Biarritz hatte Organisator „Attac“ gezeigt, wie einfach es ist, diese „Black Blocks“ aus seinen Demonstrationen zu entfernen, wenn man das möchte. Doch genau das wollen die „Gelbwesten“ nicht – hier geht es nicht mehr um soziale Forderungen, sondern vor allem um die Lust an der Randale. Und damit kann man keine Massenbewegung organisieren.

Natürlich ist das alles nur möglich, weil Präsident Macron in den ersten Monaten dieser „Akte“ versucht hatte, das Problem einfach auszusitzen. Hätte die französische Regierung vor einem Jahr anders reagiert, wäre Frankreich dieses elende samstägliche Spektakel erspart geblieben. Inzwischen verwandeln sich Paris und viele Städte Frankreichs jedes Wochenende in ein Schlachtfeld, auch, wenn sich immer weniger Demonstranten an diesen Gewaltexzessen beteiligen. Bei „Akt 53“ am Samstag waren es noch 4.700 in Paris – da fällt es schwer, die Aussage „Wir sind das Volk“ auch nur ansatzweise ernst zu nehmen.

An den Verkehrskreiseln in Frankreich, die am Wochenende auch mal wieder besetzt und teilweise blockiert wurden, zählt man die Demonstranten nicht mehr in Tausenden oder Hunderten, sondern in Dutzenden, die den Verkehr behindern und sich dabei sehr heldenhaft vorkommen. Doch der Zug ist für die „Gelbwesten“ längst abgefahren, da sie sich als Akteur für einen sozialen Wandel längst disqualifiziert haben. Wer es in einem Jahr nicht schafft, klare Forderungen zu formulieren und diese von halbwegs glaubwürdigen Personen verhandeln zu lassen, der ist eben kein Akteur des sozialen Wandels. Zu Beginn des Jahres, als die Regierung mit dem Rücken zur Wand stand, wäre dies möglich gewesen, doch mit einer unsäglichen Arroganz schlugen die „Gelbwesten“ damals den von ihnen selbst wochenlang geforderten Dialog mit der Regierung aus. Angesichts der brutalen Einschnitte der französischen Regierung im sozialen Bereich wäre ein solcher Dialog wichtig und zielführend gewesen, doch scheiterte dieser Dialog am völlig überdrehten Ego der “Führer” dieser Bewegung, deren Führungsqualitäten für eine politische Bewegung gegen Null gehen.

Die samstäglichen Bilder der Gewalt sorgen auch dafür, dass weder Intellektuelle, noch Künstler, noch ernstzunehmende Politiker diese „Bewegung“ unterstützen. Die Schäden, die von den samstäglichen Krawallen verursacht werden, gehen inzwischen in die Milliarden und speziell die Angriffe auf Feuerwehrleute machen eine Unterstützung der „Gelbwesten“ unmöglich. Man kann nicht einerseits einen „qualitativ hochwertigen öffentlichen Dienst“ fordern und andererseits die Vertreter des öffentlichen Dienstes dafür angreifen, dass sie versuchen Leben zu retten und Feuer zu löschen.

Am Ende werden die „Gelbwesten“ an ihrer eigenen Arroganz scheitern. Und dennoch werden sie Spuren hinterlassen, denn der soziale Wandel, den sie immer gefordert haben, wird stattfinden. Nur eben ohne diejenigen, denen es am Ende dann doch mehr um das Ausleben ihrer Gewaltphantasien als um soziale Themen ging. Im Jahr, in dem wir 30 Jahre einer „friedlichen Revolution“ feiern, bei der es „das Volk“ geschafft hat, durch gewaltfreie Proteste immer mehr Menschen zu mobilisieren und am Ende ein von der Roten Armee getragenes Regime zu stürzen, verläuft die Entwicklung der „Gelbwesten“ genau andersherum. Aufgrund ihrer Gewalttätigkeit verlieren sie immer mehr Unterstützung und werden am Ende nur noch als Folklore betrachtet werden. Nachdem sie es erfolgreich geschafft haben, so ziemlich alle Persönlichkeiten aus ihren Reihen zu verbannen, die auch nur entfernt so wirkten, als könnten sie eine solche Bewegung anführen, sind sie nun da angekommen, wo sie sind – und geben ein trauriges Bild von Krawallmachern ab, deren Gejammer, wie übel ihnen doch mitgespielt wird, niemand mehr hinter dem Ofen hervorlockt. Ob die „Gelbwesten“ noch einen zweiten Jahrestag erleben, ist mehr als fraglich.

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