Die Riesin und der Zwerg

Bei ihrem Auftritt im Freiburger Konzerthaus stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Spitzenkandidaten der CDU für die Landtagswahlen Guido Wolf weit in den Schatten.

Angela Merkel überzeugte gestern im Freiburger Konzerthaus. Guido Wolf war - naja, wie Guido Wolf eben. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Der erwartete Ärger rund um den Besuch der Kanzlerin in Freiburg blieb aus. Eine Handvoll versprengter Demonstranten der neuen Lucke-Partei „ALFA“ hielten trotzig ihre Plakate „Stoppt Merkel“ in die Luft, ein paar Demonstranten eines linken Aktionsbündnisses lachten sie aus, die angekündigten Demonstranten der AfD wurden erst gar nicht gesichtet und vielleicht war es die sehr massive Polizeipräsenz, die dafür sorgte, dass am Ende alles ruhig blieb. Dafür waren die Reden im voll besetzten Freiburger Konzerthaus tatsächlich sehr interessant.

Guido Wolf, der Spitzenkandidat, der sich vergeblich bemühte, seinen schwäbischen Akzent im Badnerland nicht allzu deutlich durchklingen zu lassen, zeigte einmal mehr, dass Charisma heutzutage in der Politik nicht mehr unbedingt erforderlich ist. Brav spulte er sein Wahlkampfprogramm herunter, das sich um die Themen Bildungspolitik (da will er alles anders machen als Grüne/SPD, vor allem in der Elitenausbildung), Verkehrspolitik und Infrastruktur (seine etwas plumpen Scherze über den seiner Ansicht nach überflüssigen Bau von Radwegen kam in der Fahrradhochburg Freiburg nicht sonderlich gut an) und Innere Sicherheit (Wolf ist entschiedener Gegner der Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte) dreht. Wie gesagt. Brav. Begeisterung löst dieser Mann nicht aus. Dazu fehlt ihm einfach etwas.

Dann kam Angela Merkel und man kann zur Bundeskanzlerin stehen, wie man will, die Frau hat einfach Format. Zunächst tat sie das, wofür sie nach Freiburg gekommen war: Sie teilte kräftig in Richtung Grün/Rot aus, beklagte sich, dass in Baden-Württemberg zwei von drei Bürgern unzufrieden mit der Bildungspolitik sind, dass die Infrastrukturen nicht modern genug sind, dass nicht genug Geld in die „Industrie 4.0“ gesteckt wird, was speziell im Wirtschaftsland Baden-Württemberg gar nicht ginge. Ein wenig Stirnrunzeln riefen zwar ihre Einlassungen zum Thema Datenschutz hervor („Daten sind der Rohstoff von morgen, da sollte man nicht immer nur auf den Datenschutz schauen…“), speziell vor dem Hintergrund der letzten Abhörskandale, doch im Großen und Ganzen erfüllte sie ihren Job als Edel-Wahlhelferin sehr ordentlich. Und dann kam sie zu dem Thema, weswegen die meisten der Zuhörer ins Freiburger Konzerthaus gekommen waren.

Ja, Angela Merkel sagte ihn, diesen Satz, der schon bald in allen deutschen Aphorismen-Sammlungen einen festen Platz haben wird: „Wir schaffen das“. Und dann kam die Aussage, für die alleine sich der Ausflug ins Freiburger Konzerthaus gelohnt hätte. „Artikel 1 des Grundgesetzes besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Und das gilt nicht nur für Deutsche.“ Es dauerte ein, zwei Sekunden, bis das Publikum die Qualität dieses Satzes in seiner ganzen Tragweite begriff, dann setzte heftiger Applaus ein. Angela Merkel vertrat, wie sie das seit Monaten tut, eine glasklare, humanistische Linie: „Wer vor Krieg, Terror und Gewalt flüchtet, der soll in Deutschland Schutz bekommen“. Punkt. Eine nicht verhandelbare Position.

Dass die Kanzlerin dann die eine oder andere Einschränkung hinzufügte, ist dem Gegenwind geschuldet, der ihr gerade aus allen Richtungen ins Gesicht bläst. Natürlich müssen die Abschiebeverfahren für abgewiesene Asylbewerber beschleunigt werden, natürlich sind sich alle einig, dass die EU-Außengrenzen geschützt werden müssen, natürlich kann es nicht sein, dass Deutschland alleine die ganze Last schultern muss. Dann ging die Kanzlerin auf das Thema ein, das sie bereits bei ihrer Rede vor dem Bundestag angeschnitten hatte – die Gründe der Massenflucht müssen bekämpft werden. Die Kanzlerin wartete mit Zahlen auf: Von den 22 Millionen Syrern sind gerade 5 Millionen ins Ausland geflüchtet, 6 Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht und diesen Menschen muss vor Ort geholfen werden.

Womit Angela Merkel auch elegant zum Thema „Integration“ überleitete und zeigte, dass sie sehr wohl weiß, was sie tut. So sprach sie von Ausbildungen für Flüchtlinge im Technischen Hilfswerk, „wo die Menschen Dinge lernen, die ihnen die Integration bei uns erleichtern, und die sie dringend brauchen, um ihr eigenes Land wieder aufzubauen, wenn sie wieder zurückkehren können“.

Damit auch die Skeptiker in den eigenen Reihen mitziehen, forderte Merkel dann auch, dass kriminelle Flüchtlinge bestraft werden müssen (was von niemandem je hinterfragt wurde), sie unterstrich, dass auch Flüchtlinge unsere Werte wie beispielsweise die Gleichberechtigung von Mann und Frau akzeptieren müssen, drehte dann aber rhetorisch den Spieß gleich wieder um, indem sie unterstrich, dass in Deutschland Werte wie die Religions- und Pressefreiheit nicht zur Disposition stünden, denn „wir wollen nicht, dass sich unser Land verändert. Also müssen wir den Neuankömmlingen unsere Werte vermitteln und zeigen, wie wir leben“. Und als die Kanzlerin den unzähligen haupt- und ehrenamtlichen Helfern dankte, da spürte man, dass sie es ehrlich meinte.

Der Applaus für ihre Rede war begeistert, Angela Merkel erinnert die Menschen an ihre humanistischen und christlichen Pflichten und beruhigt sie. Das sind die Momente, in denen man versteht, warum sie den Spitznamen „Mutti“ trägt. Würde Angela Merkel bei der Landtagswahl am 13. März antreten, man könnte gar nicht anders, als sie zu wählen. Aber Guido Wolf?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste