Die schönsten Wochen des Jahres?

Reiseveranstalter und Fluglinien reagieren ganz unterschiedlich auf den Putsch in der Türkei und die angespannte Lage. Die Urlauber seltsamerweise auch. Die feiern nämlich weiter, als ob nichts wäre.

So lange die Liegestühle in Reih und Glied stehen, darf im Reiseland gerne auch ein blutiger Aufstand stattfinden. Egal. Foto: Piotrus / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Das Reiseland Türkei ist schwer erschüttert. Nach den Anschlägen von Istanbul im Januar und Juni und nun dem Putschversuch, der in einem Blutbad endete, könnte man meinen, dass der Tourismus zum Erliegen käme. Doch dem ist nicht so. Nur 24 Stunden nach den blutigen Zwischenfällen haben mehrere Fluglinien wieder den normalen Flugverkehr wieder aufgenommen (Condor, Air Berlin, TuiFly, Turkish Airways), während die Lufthansa und die russischen Carrier am Sonntag noch alle Flüge storniert hatten. Doch offenbar haben Türkeiurlauber ein dickes Fell…

Obwohl die meisten Reiseveranstalter momentan kostenlose Umbuchungen und Stornierungen für Türkeireisen akzeptieren und auch rückreisewillige Urlauber wieder in die Heimat fliegen, muss man sich wohl keine Sorgen um den durchschnittlichen Türkeiurlauber machen. Denn der hat pauschal gebucht, mit Vollpension, Handtuch auf dem Liegestuhl am Pool, BILD-Zeitung und sicherer Sonne und solange ihm niemand ins Buffet schießt, ist ihm offenbar ziemlich egal, was in seinem Reiseland passiert. Ein Sprecher des Branchenriesen TUI erklärte, dass von den 18.000 Türkeiurlaubern, die das Unternehmen gerade im Land betreut, gerade einmal 30 den Wunsch geäußert haben, nach Hause geflogen zu werden. 30 von 18.000 – das ist schon überraschend. Auch die Vertreter anderer Reiseveranstalter sprachen von „Normalität“ in den Badeorten an der Türkischen Riviera, die zugegebenermaßen recht weit von Istanbul und Ankara entfernt liegen, aber dennoch in einem Land, in dem am Wochenende geschossen und gestorben wurde und in dem gerade eine massive „Säuberung“ von Armee, Justiz und Opposition läuft.

Ist das ein „dickes Fell“ oder einfach nur Egoismus in Reinkultur? Während das Auswärtige Amt zu „erhöhter Wachsamkeit“ aufruft, scheint es der erdrückenden Mehrheit der Türkeiurlauber nur darum zu gehen, sich nicht beim Jahresurlaub stören zu lassen. Frei nach dem Motto, „was geht es mich an, was in meinem Gastland passiert?“… Keine Frage, niemand lässt sich gerne beim Urlaub stören, doch deswegen gleich so tun, als wäre alles in Ordnung?

Business as usual, angesichts der Haltung der Türkeiurlauber, die auch ihre jetzt bevorstehenden Reisen in die Türkei nicht stornieren wollen, haben weder Reiseveranstalter noch Fluggesellschaften einen Grund, nicht sofort die Flüge und Urlaubspakete wieder aufzunehmen. Die vom Auswärtigen Amt verordnete „erhöhte Wachsamkeit“ lässt sich wunderbar mit einer halben Flasche Raki wegspülen und wenn man nicht von den aktuellen Dramen genervt werden will, dann verzichtet man eben einfach im Urlaub auf die Zeitung und die Nachrichten. Pokemon jagen ist ohnehin witziger als sich Gedanken um die Welt zu machen.

Und plötzlich versteht man immer besser, warum sich bei uns nichts ändern wird. Wenn wir bereits so abgestumpft sind, dass es uns egal ist, wenn in unserem Urlaubsland eine Art Bürgerkrieg tobt, sofern das nicht die Pünktlichkeit bei der Schlacht am Buffet beeinträchtigt, dann werden wir auch nicht Gefahr laufen, dass sich eines Tages jemand gegen die Verhältnisse bei uns auflehnt. Aber irgendwie hat es einen sehr seltsamen Beigeschmack, wenn es Urlaubern egal ist, was rings um sie herum passiert. Damit der Urlaub noch etwas kurzweiliger wird, wäre es vielleicht spannend, den Besuch in der Teppichfabrik durch einen Ausflug in das Lager zu ersetzen, in dem die mittlerweile mehr als 6000 verhafteten Personen sitzen, die nun darauf warten, was der große Diktator mit ihnen anstellen will. Aber bitte nicht füttern!

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