Die schwarze Null

Der deutsche Haushalt soll wieder eine schwarze Null ausweisen – also einen ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung. Doch passt das wirklich für einen Staatshaushalt?

Ob die "schwarze Null" wirklich so heilsbringend ist, wie die Politik erzählt? Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Deutschland ist nach wie vor gut aufgestellt. Mit einer Verschuldung, die rund 60 % des BIP entspricht, könnte man eigentlich ganz zufrieden sein. Eigentlich. Denn die Weigerung, zum aktuellen Zeitpunkt Schulden zu machen und Deutschland für die nächsten Jahrzehnte modernisiert aufzustellen, könnte sich als Bumerang erweisen.

Die ehemaligen Volksparteien sind sich im Grunde einig – der neue Haushalt soll wieder unter der Überschrift „Die schwarze Null“ stehen. Dabei wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, Geld praktisch zum Nulltarif aufzunehmen und in die dringend benötigte Modernisierung einer teilweise völlig veralteten Infrastruktur zu stecken, neue Impulse in Zukunftstechnologien zu setzen und das Land für die Zukunft aufzustellen. Experten wie Professor Michael Hüther vom DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) halten das für einen historischen Fehler: „Man kann einen Staatshaushalt nicht nach dem Prinzip der schwäbischen Hausfrau führen. Man sollte jetzt eine Staatsanleihe von 100 Milliarden Euro auflegen und das Geld zukunftsorientiert anlegen.“

Wie „erfolgreich“ die deutsche Sparpolitik ist, sieht man nicht nur in den Ländern Südeuropas, sondern auch in Deutschland selbst. Fast 20 % der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze und der demographische Wandel, an dem man nicht viel machen kann als Abzuwarten, dass wieder mehr Kinder gezeugt werden, tut ein Übriges. Viele Infrastrukturen wie Straßen, Zugstrecken, Schulen, Krankenhäuser etc. müssen dringend neu gestaltet oder modernisiert werden, doch statt jetzt Geld praktisch zum Nulltarif aufzunehmen und in diesen Bereichen zu investieren, wird eben gespart.

Für Professor Hüther ist die Landespolitik für diesen wenig zielgerichteten Sparkurs verantwortlich, bei dem sich alle gegenseitig überbieten, so viel wie möglich zu sparen. Eines der Hauptargumente der Verfechter der „schwarzen Null“ ist die „Generationengerechtigkeit“, doch auch hier sind die Experten anderer Meinung. „Den kommenden Generationen ein überaltertes, nicht mehr wettbewerbsfähiges Land ohne Schulden zu überlassen, bringt niemandem etwas“, sagt er. „Andere Länder sind da nicht so zimperlich.“

Eine Staatsanleihe, wie sie Professor Hüther anregt, findet übrigens die Unterstützung bei vielen Experten aus verschiedenen Forschungseinrichtungen. Nur eben nicht in der Politik. Was dann wieder einmal die Frage aufwirft, ob es noch zeitgemäß ist, politische Entscheidungen solcher Tragweite nach ideologischen statt nach wissenschaftlichen Maßstäben zu treffen. Wenn die Experten gegenteiliger Meinung als die Politiker sind, sich am Ende aber die Politik durchsetzt, wird man doch nachdenklich…

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