Die schwere Woche des Emmanuel M.

Diese Woche muss Emmanuel Macron liefern. Nach Monaten des Abwartens, Auf-Zeit-Spielens und Schweigens muss der französische Präsident ein Reformprogramm präsentieren.

Wie Bilder doch täuschen können... direkt darunter steht das Wort "démission" - "Rücktritt"... Foto: Celette / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der „The Guardian“ schrieb: „Emmanuel Macron hat tatsächlich das französische Volk geeint – gegen seine Person!“. Seit Monaten wartet Frankreich auf einen Weg aus der Krise und das Warten hat jetzt ein Ende – in dieser Woche wird Emmanuel Macron entweder sein Land befrieden oder aber Unruhen in Frankreich auslösen, gegen die alle bisherigen 22 „Akte“ ein mildes Lüftchen waren. Seit dem 17. November liegen zahlreiche soziale Forderungen auf dem Tisch und durch sein zögerliches Verhalten hat sich Emmanuel Macron selbst in eine Position manövriert, in der er ab sofort keine Fehler mehr machen darf. Wenn er diese Woche sein auf den „Großen nationalen Debatten“ basierendes Reformpaket präsentiert, dann sollte es besser gut sein. Denn aus dem Problem der „Gelbwesten“ ist inzwischen ein landesweites Problem geworden.

Die „Gelbwesten“ selbst sind inzwischen eine vernachlässigbare Größe. Nach fast fünf Monaten einer unorganisierten Revolte mit zahlreichen Gewaltexzessen, nach fast fünf Monaten, in denen sich praktisch keine nennenswerte Unterstützung für diese mit ihrer Unorganisiertheit kokettierende Bewegung herausgebildet hat, nach fünf Monaten, in denen sich selbsternannte Führerinnen und Führer, die für nichts und niemanden sprachen, konsequent geweigert haben, an einem Dialog teilzunehmen, den sie selbst gefordert hatten, spielen die Gelbwesten politisch nur noch eine indirekte Rolle. Dafür ist in diesen 22 Wochen etwas ganz anderes passiert.

In den letzten 22 Wochen hatte jeder Franzose und jede Französin ausreichend Muße, sich an die eigenen Erfahrungen mit der Verwaltung, also mit dem Staat, zu erinnern, der in Frankreich immer etwas pompös daherkommt. Und da es wohl keinen Franzosen und keine Französin gibt, der oder die in seinem oder ihrem Leben noch keinen Stress mit der teilweise völlig überalteten und ineffizienten Verwaltung hatte, kristallisiert sich langsam, aber sicher, eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem Staat heraus, die dafür sorgt, dass die Stimmung in Frankreich immer explosiver wird.

Mitte dieser Woche will Emmanuel Macron also sein Reformprogramm vorlegen, über dem er fünf Monate lang gebrütet hat, während Extremisten das Land anzündeten. Und er wird liefern müssen – und zwar richtig gut. Nicht nur für die Gelbwesten, sondern für alle Franzosen, denn die Unzufriedenheit beschränkt sich eben schon lange nicht mehr auf die Gelbwesten.

Angesichts der zahlreichen politischen Fehler, die Emmanuel Macron seit seinem Amtsantritt anhäuft, stehen die Chancen leider hoch, dass er ein Reformprogramm präsentieren wird, das neben ein paar Häppchen für sozial Schwache kaum einen radikalen Wandel beinhalten wird. Doch sollte er dies tun, wird Frankreich ab dem nächsten Wochenende in Flammen stehen und die neuerlichen Proteste werden dann von weitaus mehr Menschen unterstützt werden als nur von den Gelbwesten.

Die letzten fünf Monaten haben Frankreich viel gekostet. – Nicht nur die materiellen Schäden durch die dauernden Gewaltexzesse in den Innenstädten, nicht nur Arbeitsplätze und Sachschäden, nicht nur einen enormen internationalen Imageverlust, sondern auch, und das wiegt vermutlich am schwersten, den Zusammenhalt der französischen Gesellschaft. In dieser zerrissenen Situation erscheint es fast unmöglich ein Programm zu präsentieren, hinter dem sich die Franzosen versammeln können.

Schuld an dieser Entwicklung haben auf eine Art alle. Der Präsident selbst, der erst anderthalb Jahre ungefähr jede Bevölkerungsgruppe aufs Übelste beleidigt hat, bevor er anfing, in der Krise repressive Gesetze durchzuboxen, mit denen jede künftige französische Regierung extremistischer Prägung das französische Volk ganz legal zum Verstummen bringen kann. Die Vorgängerregierungen von links und rechts, die Frankreich in erster Linie als einen persönlichen Selbstbedienungsladen behandelt haben. Die Gelbwesten, die leider die Chance verpassten, zu einem Sozialpartner und einer konstruktiven Kraft zu werden – doch dazu reichte leider das intellektuelle Potential dieser Bewegung nicht aus.

Die Gewalt in den Städten und anderswo hat die französische Gesellschaft tief gespalten – hoffen wir also auf ein Wunder. Das Wunder, dass Emmanuel Macron ein Reformprogramm aus dem Hut zaubert, das so umwerfend gut ist, dass die Franzosen aus allen Lagern bereit sind, es mitzutragen. Sollte ihm diese Quadratur des Kreises nicht gelingen, mag man sich die Konsequenzen nicht ausmalen. Also, Herr Präsident Macron, machen Sie es diesmal richtig. Bitte. Denn einen Bürgerkrieg kann Frankreich gerade wirklich nicht brauchen.

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