Die Selbstgeißelung der Angela M.

Das Mea Culpa der Kanzlerin bei der Rücknahme des seltsamen „Oster-Lockdowns“ war nicht nötig. Wenn sich jemand entschuldigen müsste, dann die Ministerpräsidenten…

Angela Merkel redet sich den Mund fusselig - aber die Ministerpräsidenten lähmen jeden Versuch, die Pandemie zu bekämpfen. Foto: Kristof Roomp / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Der deutsche Föderalismus ist ein hervorragendes, demokratisches System, in dem Verantwortung nach dem Prinzip der Subsidiarität auf die Ebenen verlagert wird, wo die Arbeit tatsächlich stattfindet. Der Föderalismus sorgt dafür, dass Entscheidungen auf nationaler Ebene unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten präzise umgesetzt werden können. Aber das gilt leider nur zu „normalen“ Zeiten. In Zeiten einer Pandemie, wie wir sie gerade erleben, ist der Föderalismus Gift für eine effiziente Bekämpfung der Krise. So war dann auch der seltsame „Oster-Lockdown“ nicht etwa die Idee von Angela Merkel, sondern der müde Kompromiss zwischen der Bundesregierung und den Landesfürsten und Landesfürstinnen, denen es offenbar nur um ihr Standing in ihren jeweiligen Bundesländern geht und nicht so sehr, wie man diese Pandemie insgesamt bekämpfen kann. Daher hätte sich nicht Angela Merkel entschuldigen sollen, sondern die Ministerpräsidenten, die mit ihrem regionalen Egoismus dafür sorgen, dass Deutschland und Europa alle Chancen verspielen, dieses Virus mit seinen Varianten besiegen zu können.

So etwas Bizarres wie den erst geplanten und dann (zum Glück) wieder abgesagten „Oster-Lockdown“ von 6 Tagen mit einer löcherigen Pause am Ostersamstag, darauf muss man erst einmal kommen. Man muss kein Virologe sein, um zu verstehen, dass sechs Tage Lockdown mit Schlupflöchern keine geeignete Maßnahme sind, um dieses Virus zu bekämpfen. Diese Idee entstand aus der Notwendigkeit, nach 15 Stunden Verhandlungsmarathon, bei dem sich die Ministerpräsidenten der SPD-regierten Länder und diejenigen der CDU-regierten Länder immer wieder getrennt voneinander berieten, ein Ergebnis zu präsentieren. Es hätte noch schwächer ausgesehen, hätten 15 Stunden Verhandlungen ohne ein Ergebnis geendet. Doch das, was als „Ergebnis“ präsentiert wurde, ist jämmerlich.

Dass sich Angela Merkel nicht vor ihrer Verantwortung als Regierungschefin drückt, ehrt sie. Mit ihrer Entschuldigung und dem Bekenntnis, es habe sich „einzig und allein um ihren Fehler“ gehandelt, stellt sie sich vor die 16 Ministerpräsidenten, die ein geradezu peinliches Spektakel abziehen und dabei nebenher auch noch die Gesundheit der Bevölkerung in Gefahr bringen. Dies ist höchst ehrenhaft, das Versagen und den unsäglichen Egoismus der Landesfürsten auf ihre Kappe zu nehmen, allerdings wird uns das auch nicht aus der Krise führen.

Die Alleingänge der Ministerpräsidenten werden unerträglich. Geschäfte, Schulen und Einrichtungen werden nach Gutdünken geöffnet oder geschlossen, Kontaktsperren werden mal so, mal so organisiert, und jedes Bundesland und jeder Landkreis definieren ihre eigenen „Notbremsen“, Schwellenwerte und die dazugehörigen Maßnahmen. Dabei gehen die Landesfürsten nach wie vor von der irrigen Annahme aus, man könne in einer mobilen Welt eine Pandemie lokal bekämpfen. So auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans, der ankündigte, dass das Saarland direkt nach Ostern wieder die Geschäfte öffnen wird. Trotz einem angeblich bundesweiten Lockdown bis zum 18. April.

Angela Merkel steht für eine vorsichtige Pandemie-Strategie. In erkennbarer Sorge um die Gesundheit der Deutschen versucht sie immer wieder, den Ministerpräsidenten Vernunft näherzubringen, während diese nicht etwa Gesundheitspolitik, sondern Regionalpolitik betreiben.

Und so wird Angela Merkel auf der Zielgeraden ihres letzten Mandats zu einer Art tragischen Heldin, die das Richtige will, aber es eben auch nicht durchsetzen kann. Man wird nicht umhinkommen, für vergleichbare Situationen andere Dinge vorzusehen, die es der Bundesregierung ermöglichen, auf extreme Krisen zu reagieren. In der Tat, nicht Angela Merkel hätte sich entschuldigen müssen, sondern die Ministerpräsidenten – denn sie sind es, die momentan einer effizienteren Bekämpfung des Virus im Weg stehen.

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