„Die Situation an der Grenze ist in der Politik angekommen“

Felix Braun, Leiter der Universalschlichtungsstelle des Bundes in Kehl, zu den heutigen Änderungen an der Grenze und wie diese das Leben der Berufspendler betreffen.

Grenzplakette über dem Rhein - rechts Frankreich, links Deutschland. Ab sofort muss man ab hier negativ getestet sein. Foto: privat

(KL) – Als wir Felix Braun, den Leiter der Universalschlichtungsstelle (USS) des Bundes in Kehl im Frühling 2020 zum ersten Mal befragten, wie sich die USS während der damaligen Grenzschließung und der Telearbeit organisiert habe, ahnte niemand, dass diese Krise derart lange dauern würde. Seit heute gelten neue Bestimmungen für die Einreise nach Deutschland aus der „Hochrisikozone Frankreich“ und die betreffen nun auch die Berufspendler. So auch fast die Hälfte der Belegschaft der USS. Interview.

Felix Braun, dies ist nun schon das fünfte Interview zum Thema Telearbeit, das wir seit einem Jahr zusammen führen. Hätten Sie vor einem Jahr damit gerechnet, dass wir heute schon wieder eine geänderte Situation beleuchten müssen?

Felix Braun: Vor einem Jahr nein, vor zwei, drei Monaten schon.

Auf Sie als Arbeitgeber kommen schwierige Zeiten zu, da rund die Hälfte Ihrer Mitarbeiter in Straßburg lebt, während sich Ihre Büros in Kehl befinden. Zwei Tests pro Woche sind nun erforderlich – wie werden Sie diese Situation zwischen Telearbeit, Arbeit im Büro und Testpflicht managen?

FB: Als Arbeitgeberin hat es die Universalschlichtungsstelle vergleichsweise gut. Wir sind seit geraumer Zeit in der Aufstellung von Schichtplänen und überwiegendem Home-Office geübt. Es liegt aber auch an der Art unserer Arbeit, die ohnedies viel am PC und am Telefon stattfindet. Das kann andere Arbeitgeber*innen schon härter treffen.

Und selbst wir werden unsere Schichtpläne umorganisieren müssen, da unsere Grenzgänger*innen bislang Dienstag und Donnerstag ins Büro kommen durften, falls nötig. Daran festzuhalten, wäre etwas dumm, denn der Test gilt 48 Stunden. Allerdings hatten wir das aufgrund bestimmter Tätigkeiten der jeweiligen Stellenprofile bewusst so organisiert; dass das mit dem Wohnort zusammenfällt, ist ein Zufall. So einfach ist sinnvolles Umorganisieren dann im Detail eben nicht, bei gleichzeitigem Festhalten an den Schichten. Selbst bei uns nicht…

Sorgt das also bei Arbeitgeber*innen für einiges Kopfzerbrechen, dürfte die Lage bei den betroffenen Arbeitnehmer*innen vielfach belastend sein, da sie sich oft auch anders organisieren müssen. Abgesehen davon, dass das manchen verständlicherweise auch ordentlich aufs Gemüt schlagen dürfte.

Haben Sie das Gefühl, dass die neuen Regelungen klarer und verständlicher sind als zuletzt?

FB: Ja, und das ist gut so. Unsicherheiten und Unklarheiten belasten enorm. Wenn sich das vermeiden lässt, ist das an sich schon in einer generell angespannten Situation wertvoll. Man merkt, dass sich die zuständigen politischen und gesellschaftlichen Akteur*innen auf verschiedensten Ebenen sorgfältig mit der Situation an der Grenze beschäftigt und Vorbereitungen getroffen haben. Dass die Stadt Kehl zum Beispiel von heute auf morgen die Öffnungszeiten des Testzentrums massiv ausweitet, ist ein Zeugnis hiervon. Und dass sie ein Muster für die Arbeitgeberbescheinigung mit vielen Informationen verlinkt, damit sich die beschäftigten Grenzgänger*innen gratis testen lassen können, ist vorbildlich.

Auf die langen Schlangen bin ich trotzdem gespannt… Und: Es kann sein, dass in der Praxis dann doch die eine oder andere Unklarheit auftritt, dass es ruckelt. Hier sollte immer besonders drauf geachtet werden, dass Informationen und Maßnahmen aktualisiert, klar kommuniziert und so gut wie möglich den Bedürfnissen angepasst werden.

Haben Sie das Gefühl, dass die erneute Verschärfung an der Grenze die Ausbreitung des Virus tatsächlich stoppen kann? Zumal offensichtlich keine systematischen Grenzkontrollen vorgesehen sind?

FB: Das wird zu beobachten sein, in welchem Maße die Ausbreitung gebremst wird. Gestoppt wohl kaum, denn es ist nicht so, als gäbe es nichts auf deutscher Seite. Es wäre toll, wenn die Rechnung mit dem Konzept aufgeht. Ich bin kein Wissenschaftler auf dem Gebiet, daher kann ich das nicht seriös einschätzen. Man muss das aber tatsächlich fortlaufend beobachten, ob der gewünschte Effekt erreicht wird, denn es darf nicht vergessen werden, dass diese Situation für Grenzgänger*innen in vielfacher Hinsicht äußerst belastend ist, auch emotional.

Klar, vergnügungssteuerpflichtig ist für kaum jemand gerade etwas, egal wo man wohnt, aber Grenzgänger*innen sind tendenziell mehr belastet, allein schon deshalb, weil in jedem Staat andere Regeln gelten, die im Auge zu behalten sind und weil viele ja nicht nur zum Arbeiten ‘rüberkommen, sondern sich oft das ganze Leben irgendwie auf beiden Seiten des Rheins abspielt. Daher verdient ihre Lage besondere Aufmerksamkeit und Handeln mit Bedacht. Wie ich aber schon sagte: Diese Botschaft, also dass die Situation der Grenzgänger*innen an der badisch-elsässischen Grenze eine besondere ist, ist in der Politik angekommen. Also weiter so. Dann schaffen wir hüben und drüben zusammen viel.

Wie ist Ihre Einschätzung – werden wir im März 2022 das gleiche Gespräch erneut führen müssen?

FB: Ich habe zwar gelernt, in längeren Zeiträumen denken zu müssen, aber das glaube ich persönlich dann nun doch nicht. Dennoch: Es wird noch einige Geduld brauchen, da mache ich mir ebenfalls keine Illusionen.

Vielen Dank für das Gespräch und – bis zum nächsten Mal…

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