Die SPD bringt die AfD in die Pole Position

Im Falle einer neuen Großen Koalition wird die AfD zur stärksten Oppositionspartei. Und hätte damit Anspruch auf den Vorsitz in zahlreichen wichtigen Ausschüssen. Ob die „GroKo“ wirklich eine so gute Idee ist?

Die Vorstellung, dass künftig wichtige Ausschüsse von der AfD geleitet werden, ist beunruhigend. Foto: Abiggerbang2 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Dass Martin Schulz angesichts der Verlockung der Macht umgefallen ist und die SPD genau dorthin führt, wo er sie auf keinen Fall hinführen wollte, ist eine Frage der politischen Zuverlässigkeit. Doch zusätzlich zu den „moralischen“ Aspekten dieses Richtungswechsels, gibt es auch einige „technische“ Aspekte, bei denen es einem kalt den Rücken herunterläuft. Denn die „GroKo“ würde als erstes eines bewirken – die tiefe Einbindung der AfD in alle wichtigen politischen Prozesse. Dabei hätte man den Rechtsextremen am liebsten ein Schild „wir müssen leider draußen bleiben“ vor die Tür gestellt.

Als stärkste Oppositionspartei hätte die AfD also Anspruch auf den Vorsitz in verschiedenen Gremien und Ausschüssen. Denkbar wäre beispielsweise der Vorsitz im Innenausschuss, im Verteidigungsausschuss oder, was geradezu hanebüchen wäre, im Kulturausschuss, in dem man sich auch mit der Gedächtnisarbeit zur deutschen Vergangenheit beschäftigt. Man stelle sich vor, ein Bernd Höcke wäre plötzlich zuständig für die Aufarbeitung der NS-Zeit. Und leider ist diese Vorstellung alles andere als unrealistisch, es sei denn, die AfD erhält den Vorsitz im Haushaltsausschuss. Oder im Rechtsausschuss.

Es gibt 23 solcher Ausschüsse im Bundestag und die AfD könnte in drei Ausschüssen den Vorsitz erhalten. Und damit zu einer richtig hoffähigen Partei im Bundestag werden, um sich bereits für 2021 aufzustellen – es scheint, als sei der Aufstieg der Rechtsextremen kaum noch zu stoppen. Auch, wenn der Anspruch auf diese Posten nicht gesetzlich festgeschrieben ist, so handelt es sich doch um „ungeschriebene Gesetze“, wie beispielsweise das, nach dem der kleinere Koalitionspartner den Außenminister und Vizekanzler stellt. Und alle demokratischen Parteien haben eigentlich keine andere Wahl, als diese Traditionen auch gegenüber der AfD aufrecht zu erhalten, denn ansonsten würde diese (sogar zu Recht) in eine undemokratisch motivierte Opferrolle fallen, eine Rolle, die von Rechtsextremen nur zu gerne angenommen wird.

Das schrittweise Eindringen der AfD in den politischen Prozess ist beunruhigend – so haben in der Geschichte schon viele Katastrophen angefangen. Doch kann das natürlich nicht der Grund sein, warum sich die SPD gegen eine „GroKo“ entscheiden sollte. Und je länger die Diskussionen laufen, desto sinnvoller erscheint die Position von Juso-Chef Kevin Kühnert – eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung würde die Kanzlerin zwingen, ihre politischen Projekte mit den Partnern zu diskutieren und sich die entsprechenden Mehrheiten zu organisieren. Alle Parteien könnten dabei ihre Politikfähigkeit nachweisen und die AfD wäre weiterhin mehr in einer Zuschauer- als in einer Akteurs-Rolle. Die nächsten Tage und Wochen werden dann wohl doch noch spannend…

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