Die SPD entscheidet sich, sich nicht zu entscheiden

Sie wurden an die Spitze der SPD gewählt, weil sie das Ende der GroKo propagiert hatten. Genau das will das neue Spitzen-Duo der SPD aber erstmal nicht entscheiden lassen.

Bereits 2005 verwandelte ein Hellseher mit wenigen Handgriffen Wahlversprechen in einen Zustandsbericht... Foto: Jowereit / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Entwickelt sich die SPD nun zu einer Art Lindenstraße für Politik-Interessierte? Der Leitantrag des neuen Spitzen-Duos der SPD, Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sieht vor, die SPD-Delegierten auf dem Parteitag am Wochenende NICHT über das Ende der GroKo abstimmen zu lassen, sondern vier Gesprächsrunden mit der CDU einzuberufen, um den Koalitionsvertrag neu zu verhandeln. Dass die CDU dies bereits kategorisch abgelehnt hat, scheint die neuen SPD-Topleute nicht zu interessieren.

Eine gute Idee wäre es vielleicht, in den nächsten sechs Monaten in 22 Regionalkonferenzen über Wohl und Wehe der GroKo zu diskutieren, dann einen nicht bindenden Mitgliederentscheid zu organisieren und dann Ende 2020 beim nächsten Parteitag nochmal darüber zu diskutieren. Das scheint das neue Credo der SPD zu sein – keine Politik mehr machen, dafür aber TV-Zeiten bolzen.

Die Abwärtsspirale der SPD ist kaum noch aufzuhalten. Doch da man es in der Partei gewohnt ist, nur untereinander zu diskutieren, sich aber in Richtung Bevölkerung vollständig abzuschotten, bekommt man im Willy-Brandt-Haus nicht mehr mit, was gerade im Land passiert. Wie auch? Man ist ja viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Das Votum zwischen Not und Elend, also zwischen Borjans/Esken und Scholz/Geywitz war, das haben die Parteioberen nicht so richtig verstanden, ein Votum für oder gegen die Große Koalition in Berlin, die aufgrund des Sabbatjahrs der SPD zur Selbstfindung gerade den Betrieb eingestellt hat. Auch das Signal der eigenen Mitglieder, von denen die Hälfte gar nicht mehr bei der Abstimmung über den Parteivorsitz mitgemacht hat, verhallt ungehört. Viel wichtiger ist da schon die Frage, ob Kevin Kühnert neuer Partei-Vize wird oder nicht. Zumal Kühnert, der seit Monaten das Ende der Groko fordert, nun plötzlich Weisheiten wie „wer eine Koalition verlässt, gibt ein Stück Kontrolle aus der Hand“ zum Besten gibt. Aber warum sollte der Juso-Chef auch aus einem anderen Holz geschnitzt sein als der Rest der Partei? Dass die Nabelschau der SPD inzwischen niemanden mehr interessiert, sollte man ihr vielleicht mal schriftlich mitteilen, damit sie es mitbekommt.

Schon bald wird die SPD noch nicht einmal mehr als FDP-Nachfolgerin im Fach „Mehrheits-Beschaffer“ agieren können. Als unter 10 %-Splitterpartei wird nämlich selbst das schwierig werden. Was für ein Trauerspiel zusehen zu müssen, wie die einstmals große deutsche Sozialdemokratie in den Wirbeln der  Moderne zerbröselt. Die Chancen, dass das völlig Charisma-freie Top-Duo am Wochenende dynamisch das Steuer herumreißen kann, stehen nicht nur schlecht, sondern liegen eher im Bereich eines Lotto-Gewinns. Viele Alternativen bleiben für diejenigen, deren Herz links schlägt, nun nicht mehr übrig. Schade eigentlich.

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