Die Stimme der Bürgerinnen und Bürger

Die Stadt Straßburg will eine neue Form der Bürgerbeteiligung ausprobieren. Ob es soweit kommt, entscheidet der Stadtrat am 15. April.

Aus der Tradition in die Moderne - das scheint in der Europahauptstadt klappen zu können. Foto: Remi Leblond / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Seit Monaten laufen die Vorbereitungen eines Projekts für mehr lokale Demokratie in Straßburg. Initiiert von der Beigeordneten Bürgermeisterin Chantal Cutajar, wurde in fast 100 vorbereitenden Sitzungen zwischen Stadträten und Stadträtinnen sowie Bürgerinnen und Bürgern ein Konzept erarbeitet, das der Stimme der Bevölkerung deutlich mehr Gewicht im politischen Alltag geben könnte. Könnte, denn in Entscheidungsprozesse kann Volkes Stimme nach wie vor nicht eingreifen. Sollte der Stadtrat nächste Woche erwartungsgemäß für dieses neue Konzept stimmen, hängt dessen Umsetzung allerdings weiterhin vom guten Willen der lokalen Politik ab.

Künftig wird es, stimmen die Stadträte am 15. April dafür, zwei Arten von Bürger-Petitionen geben, auf die in der Stadtverwaltung reagiert werden muss. So sollen 500 gesammelte Unterschriften die Verwaltung verpflichten, eine angeforderte Information zu geben und ab 2800 Unterschriften kann ein Thema auf die Tagesordnung des Stadtrats gesetzt werden, in Form einer „Frage“ („interpellation“). Das ist wenig und viel gleichzeitig – denn wie diese Informationsanfragen oder „Fragen“ zu beantworten sind, ist nicht eindeutig formuliert und einige Lokalpolitiker, denen diese Art der Bürgerbeteiligung schon zu viel ist, unterstreichen, dass diese Formate für den Stadtrat keineswegs bindend sind. Sondern eher informativ.

Die Initiative ist hoch interessant und wird von Chantal Cutajar und ihrem Team mit viel Engagement geführt, einem Engagement, das ansteckend war – mehr als 600 Bürgerinnen und Bürger führten diesen Dialog und arbeiteten an diesem Vorschlag mit. Der Zivilgesellschaft mehr Möglichkeiten einzuräumen, sich in die Lokalpolitik „einzumischen“, ist der richtige Ansatz, doch sind wir noch weit von einer echten Mitsprache entfernt. Nun wurde Rom allerdings auch nicht an einem Tag erbaut und Veränderungen, bei denen sich die Politik transparenter zeigen muss, erfolgen immer schleppend. Doch müssen diese Änderungen erfolgen, denn die politische Entwicklung zeigt auf allen Ebenen, dass die Einbindung der Zivilgesellschaft in den politischen Prozess eines der Elemente ist, Politik nicht in die Extreme abgleiten zu lassen.

Gleichzeitig arbeitet gerade eine Arbeitsgruppe des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau an einem Vorschlag, Sitze mit Beobachterstatus in den Entscheidungsgremien des Eurodistrikts für engagierte Bürgerinnen und Bürger einzurichten – man sieht also, dass die Frage einer Annäherung zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft immer konkreter gestellt wird und Antworten erfordert. Sollte dies der Auftakt zu einer Entwicklung in diese Richtung sein, macht man in Straßburg einen riesigen Schritt in Richtung einer moderneren Lokaldemokratie. Sollten allerdings diese Bürgerpetitionen wohlwollend angehört, aber in der Praxis dann doch ignoriert werden, könnte diese Initiative auch zum Bumerang werden. Doch momentan handelt es sich um eine zukunftsträchtige Initiative, die bereits ab dem 15. April Wirklichkeit werden könnte.

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