Die Straßburger „Bürgerkonferenzen“ – jetzt muss es weitergehen

Nach den Attentaten von Paris hat der Straßburger OB Roland Ries eine Reihe von „Bürgerkonferenzen“ gestartet, einen Dialog, mit dem gemeinsam mit den Bürgern reagiert werden soll.

Engagierte Bürgerinnen und Bürger, engagierte Politiker - auf dieses Basis kann etwas gehen. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Während Frankreich und ganz Europa nach den Attentaten von Paris wieder zu einer Art Normalität zurückkehren, weigert sich die Stadt Straßburg, bei der frustrierenden Erkenntnis stehen zu bleiben, dass man ohnehin nichts gegen den Terrorismus tun kann. Daher hat der OB der Stadt Roland Ries diese Reihe von Bürgerkonferenzen zu verschiedenen gesellschaftlichen Themen ins Leben gerufen, bei denen jeder aufgefordert war, das Wort zu ergreifen (der Titel der Reihe war „ouvrons-là ! – Maul auf!“) und es ging darum zu begreifen, warum sich ein Teil der Bevölkerung radikalisiert und auch darum, den Bürgerinnen und Bürgern zu signalisieren, dass man sie hört.

Diese „Bürgerkonferenzen“ waren aus mehreren Gründen bemerkenswert. Erstens stellte ein hoch motiviertes Team innerhalb nur weniger Tage rund zehn Veranstaltungen auf die Beine – denn die Stadt will nicht in eine Normalität verfallen, die gar keine mehr sein kann. Zweitens, statt sich darauf zu beschränken, Experten, Prominente und Akademiker untereinander diskutieren zu lassen, waren diese Konferenzen als freier Meinungsaustausch organisiert, ein echter Dialog, der ganz einfach geführt wurde – mit einem präsenten, engagierten und zuhörenden Bürgermeister. Das war keine Kampagne der „politischen Kommunikation“, sondern eine Kampagne, mit der sich die Verwaltung, die Lokalpolitik und die Bürgerschaft annähern sollten.

Die Themen dieser Konferenzen waren vielfältig und behandelten Fragen wie die Erziehung, den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, das Zusammenleben in der Gesellschaft, die freie Meinungsäußerung, die Trennung von Staat und Religion, den Zustand der heutigen Gesellschaft – und führten zu einer Reihe von Vorschlägen, die nun in eine Art „Stadtvertrag“ umgewandelt werden müssen, damit diese Initiative nicht im Sand verläuft.

Wie so oft bei solchen Veranstaltungen, zeigten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger nicht nur ein großes Engagement für die res publica, sondern schlugen auch Projektideen vor und zeigten den klaren Wunsch, die Gesellschaft im Sinne der republikanischen Werte zu verändern. Die in Frankreich ganz einfach lauten: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Eine der Forderungen lautete „aktive Koexistenz“ – ein schöner Begriff, der den Inhalt dieser Konferenzen gut zusammenfasst. Aktive Koexistenz, das bedeutet sowohl den Respekt des Anderen, als auch die Notwendigkeit, diese Koexistenz permanent zu organisieren und zu pflegen. Denn diese Koexistenz stellt sich nicht von alleine ein, sie muss täglich neu erfunden und wieder erfunden werden, gemeinsam von allen Säulen der Gesellschaft.

In der nächsten Woche werden wir Ihnen die Inhalte und Vorschläge der einzelnen „Bürgerkonferenzen“ vorstellen. Und machen gleich schon mal selbst einen entsprechenden Vorschlag: Es wäre wünschenswert, diese Konferenzen dauerhaft einzurichten, denn diese Art Dialog ist sowohl für die Politiker wichtig, als auch für die Bürger. Die Politiker erfahren vor Ort, was die Menschen bewegt und die Menschen bekommen das Gefühl, dass man sie hört und dass sie an einer gesellschaftlichen Änderung mitwirken können, mit der das Leben verbessert werden kann. Wenn diese Konferenzen nur dazu gedient hätten, diesen Dialog zu etablieren, dann hätten sie schon für etwas sehr Wichtiges genützt.

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