Die Tour der Extreme

Selten war eine Tour de France spannender als im Jubiläumsjahr – zum 100. Geburtstag des Gelben Trikots gab es bei der diesjährigen Ausgabe der Tour jede Menge Drama. Und Sport.

Der Moment, in dem Julien Alaphilippe die Tour de France 2019 verlor - die 19. Etappe musste abgebrochen werden. Foto: ScS EJ

(KL) – Ausnahmsweise wurde die Tour de France Edition 2019 nicht in den Hinterzimmern von Dopingärzten entschieden, sondern vom Wettergott. Und der zeigte bei der 19. Etappe in den Alpen, dass man auch im digitalen Zeitalter nicht alles vorausplanen, organisieren und manipulieren kann. Drama, Tragik und sportliche Überraschungen – das war das, was die Freunde des Radsports sehen wollten. Und auch zu sehen bekamen.

Eigentlich sollte die 19. Etappe der Tour de France 2019 von Saint-Jean-de-Maurienne nach Tignes führen. Doch dort kamen die Fahrer nicht an – während sie mit 80 km/h nach der Bergwertung auf dem Col de l’Iseran ins Tal abfuhren, kam es nur 10 Kilometer weiter zu einem Wettersturz und spektakulären Hagelfällen. Innerhalb weniger Minuten war die Straße mit einer Zentimeter hohen Eisschicht überzogen und man mag sich nicht ausmalen, was passiert wäre, wären die Fahrer mit dieser Geschwindigkeit und auf dünnen Rennreifen von der trockenen Straße auf diese Eisschicht gerast wären. Folgerichtig brach die Rennleitung das Rennen ab, um Gesundheit und Leben der Rennfahrer zu schützen. Und damit entschied die Rennleitung auch gleich die Gesamtwertung der Tour.

Der bis zu dieser Etappe seit 14 Tagen in Gelb fahrende Franzose Julien Alaphilippe hatte am Aufstieg zum Col de l’Iseran eine kurze Schwächephase und hatte gerade zur Aufholjagd angesetzt, als der Rennabbruch kam. Der zu diesem Zeitpunkt in der Etappe führend Kolumbianer Egan Bernal wurde als Etappengewinner gewertet und da er zu diesem Zeitpunkt rund 2 Minuten Vorsprung auf Alaphilippe hatte, übernahm er damit auch „kampflos“ die Gesamtwertung der Tour. Tragisch für Alaphilippe, glücklich für Bernal und spektakulär für die Zuschauer.

Nur zwei Tage vor der Fahrt in den Wintereinbruch, hatte das Fahrerfeld noch bei Temperaturen von 40 Grad und mehr die körperlichen und geistigen Extreme ausgetestet – und angesichts der absolut extremen Bedingungen zwischen Extremhitze und Wintereinbruch bot diese Tour tatsächlich alles. Stürze, Aufgabe vieler Topfahrer, Ausschlüsse wegen „unsportlichen Verhaltens“ und, schön, kein Dopingskandal. Angesichts der extremen Belastungen, denen die Fahrer während dieser drei Wochen dauernden und rund 3500 km langen Radtour ausgesetzt sind, stellt sich die Frage, ob der Radsport inzwischen „sauber“ ist oder ob die Teams einfach nur bessere Methoden gefunden haben, die Einnahme leistungssteigernder Präparate zu vertuschen.

Wie dem auch sei, die seltsame Art und Weise, wie die diesjährige Tour de France entschieden wurde, zeigte auch dem großen Entertainment-Zirkus seine Grenzen auf. Man kann eben doch nicht alles managen und selbst die beste Organisation ist nicht gegen die Naturgewalten gefeit. Glückwunsch an den jungen Sieger Egan Bernal, der erste Kolumbianer, der die Tour de France gewinnen kann, Glückwunsch an die Organisatoren, die am Ende die Sicherheit der Fahrer in den Vordergrund gestellt haben und Glückwunsch an alle Fahrer, die es bis nach Paris geschafft haben!

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