Die Tränen der Krokodile

Wie sehr bedauern wir doch die Opfer der zahlreichen Konflikte auf diesem Planeten. Wir sind von den Bildern zerfetzter Menschen und ausgebombter Städte schockiert. Die dazu erforderlichen Waffen verkaufen wir aber trotzdem gerne.

Wir denken immer, wir wären die Opfer, dabei sind wir die links im Bild... Foto: Arturo de Frias Marques / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es gibt wenig Bereiche, in denen sich Deutsche und Franzosen einiger sind als in diesem – wenn es darum geht, die Kriegsparteien dieser Welt mit tödlichem Werkzeug auszurüsten, stehen Deutsche und Franzosen in der ersten Reihe. Selbst europäische oder UN-Embargos für bestimmte Länder interessieren dabei die „Händler des Todes“ nicht – wenn ein Embargo einen Deal zu verhindern droht, dann wird es eben einfach umgangen. Im Grunde müsste man es deutschen und französischen Politikern verbieten, öffentlich Beileid mit den Opfern der Kriege dieser Welt zu äußern – Hersteller von Wurstmaschinen fordern schließlich auch nicht öffentlich die Abschaffung von Metzgereien.

Immerhin, es geht um das, was uns in Deutschland und Frankreich heilig ist – nicht etwa Menschenrechte oder den Frieden auf Erden, sondern um Arbeitsplätze. Und von denen gibt es nun einmal jede Menge in beiden Ländern in der Rüstungsindustrie. In der man nun mal eben Waffen herstellt, deren Sinn und Zweck ist es, Menschen zu töten. Insofern mutet es schon sehr heuchlerisch an, wenn öffentlich betrauert wird, wenn die von uns gelieferten Werkzeuge bestimmungsgemäß eingesetzt werden und Menschen töten.

Wie wichtig diese Rüstungsindustrie ist, sagen bereits die Zahlen. So exportierte Frankreich alleine in der Amtszeit von Präsident Hollande für 80 Milliarden Euro Waffen – eine beeindruckende Zahl und Experten sind der Ansicht, dass Frankreich bis nächstes Jahr sowohl Deutschland als auch Russland überholen und zweitgrößter Waffenexporteur der Welt hinter den USA wird. Dass es dafür „notwendig“ ist, auch das eine oder andere Embargo zu umgehen, da sind sich sogar Konservative und Sozialisten einig. So exportierte Frankreich in der Zeit von 2010 bis 2014 für rund 500 Millionen Euro Waffen nach China (was eigentlich verboten ist) – in dieser Zeit waren der Konservative Nicolas Sarkozy (bis 2012) und der Sozialist François Hollande (seit 2012) für die französische Politik zuständig.

„Wenn wir die Waffen nicht liefern, dann liefern sie eben andere“, so das Argument der Befürworter von Waffenexporten. Mit dem gleichen Argument könnte man auch den Kampf gegen Heroin-Händler einstellen, denn wenn man die eine Bande aushebt, wird sie durch die nächste ersetzt. Und natürlich ist dieses Argument wunderbar angenehm für alle, die mit der Herstellung und dem Handel von Waffen ihr Geld verdienen.

Was China für Frankreich ist, ist Saudi-Arabien für Deutschland. Obwohl es ein offenes Geheimnis ist, dass Saudi-Arabien verschiedene Terrorgruppen unterstützt, lieferte Deutschland im letzten Jahr für 484 Millionen Euro Waffen an Saudi-Arabien, das gerade einen schmutzigen Krieg im Jemen führt und Waffenlieferungen an Länder, die Krieg führen, eigentlich verboten sind. Aber bei einer halben Milliarde Euro Umsatz drückt man dann eben auch mal beide Augen zu und nimmt dabei billigend in Kauf, dass diese Waffen im Krieg eingesetzt werden und einige davon auch den Weg in die Hände terroristischer Organisationen finden. Immerhin, es geht um Arbeitsplätze…

Erstaunlich ist, dass die politisch Verantwortlichen beider Länder nicht müde werden, strenge Regeln und Kontrollen für Rüstungsexporte zu fordern, wobei beide Länder, immerhin dritt- und viertgrößte Rüstungsexporteure der Welt, bereits die bestehenden Regeln häufig umgehen. Die Heuchelei ist unerträglich – zumal beide Länder gemeinsam in der Lage wären, ein mächtiges Zeichen gegen den Waffenhandel zu setzen. Angesichts der technologischen Umstellungen der heutigen Zeit wäre es möglich, die Rüstungsindustrie beispielsweise in Bereichen der erneuerbaren Energien umzustrukturieren, doch welcher Politiker traut sich schon, sich mit der Industrie anzulegen?

Und so geht es dann munter weiter mit den Kriegen, bestens ausgestattet mit Waffen aus deutschen und französischen Schmieden, und beim nächsten Massaker in einem Kriegsgebiet, ausgeführt mit den bei uns produzierten Tötungswerkzeugen, werden unsere Politiker in Paris und Berlin mit betroffener Miene vor die Presse treten und zutiefst bedauern, wie schlecht doch die Welt und die Menschen sind. Und dann den nächsten Rüstungsdeal festmachen.

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