Die Türkei kann kein Partner Europas mehr sein

Recep Tayyip Erdogan, der Präsidial-Diktator der Türkei, dreht auf. Verhaftung von Oppositions-Politikern, Verbot der HDP, Ausstieg aus der Istanbul-Konvention.

Tourismus in der Türkei, wie hier in Side. Klasse, gerne, sobald Erdogan nicht mehr am Ruder ist. Foto: Gottfried Hoffmann -... / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Es war eine Weile lang relativ ruhig um die Türkei. Gebeutelt von verschiedenen Krisen, Flüchtlingssituation, Wirtschaftskrise, Covid-19, war das Land am Bosporus mit sich selbst beschäftigt. Doch jetzt macht Erdogan wieder auf sich aufmerksam. Wie immer auf die unangenehme Art und Weise.

Die linksorientierte Oppositionspartei HDP, von der Regierung als „politischer Arm der PKK“ bezeichnet, verfügt im türkischen Parlament über 55 der 600 Sitze. Seit 2018 wurden allerdings rund 26.000 Mitglieder der HDP verhaftet und seit einigen Tagen läuft ein Verbotsverfahren gegen die Partei, deren Abgeordnete und führende Mitglieder gerade einer nach dem anderen hinter Gittern verschwinden. Am Mittwoch reichte der Generalstaatsanwalt eine Klage beim Verfassungsgericht ein, die nicht nur das Verbot der HDP fordert, sondern auch ein „Politikverbot“ für 700 führende Parteikader. Bevor das Verfassungsgericht über diese Klage entscheidet, läuft bereits eine Verhaftungswelle – unter anderem sitzt bereits der frühere Parteivorsitzende Demirtas im Gefängnis.

Die Kommentare der HDP-Spitze haben etwas Verzweifeltes. So sagte der Co-Vorsitzende der Partei Mithat Sancar, dass die Regierung seine Partei auf juristischer Ebene verbieten wolle, „weil sie politisch nicht zu besiegen sei“. Viel helfen wird diese Stellungnahme nicht, denn Hilfe kann die HDP von keiner Seite erwarten. Die EU traut sich nicht, der Türkei offen zu sagen, was sie denkt und schaut weiter tatenlos zu, wie Erdogan ein rechtsstaatliches Prinzip nach dem anderen bricht.

Passend dazu kam die Meldung, dass die Türkei die „Istanbul-Konvention“ des Europarats zum Schutz von Frauen verlässt. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, welchen Weg die Türkei gerade einschlägt – von einer laizistischen, modernen Demokratie, wie sie von Kemal Atatürk eingerichtet wurde hin zu einem islamistisch geprägten Staat, der sich potentiellen Partnern in der reichen arabischen Welt andienen möchte.

Da sich die europäische Politik schon nicht traut, klar gegen Erdogan und dessen diktatorische und undemokratische Politik vorzugehen, bleibt das Heft des Handelns bei den Bürgern. Diese sollten in den kommenden Zeiten, unabhängig vom Covid-19-Geschehen, auf Urlaub in der Türkei verzichten. Man kann nicht in ein Land reisen, in dem Oppositionelle in Scharen verhaftet werden, ein Unrechtsregime ganze Bevölkerungsgruppen mit Krieg überzieht und dabei sollte man ebenfalls nicht vergessen, dass die Türkei inzwischen der größte Unruhestifter in der ganzen Region ist, ob in Syrien, Libyen und an anderen politischen Hotspots.

Die NATO sollte ein geordnetes Ausschlussverfahren gegen die Türkei einleiten, denn die Türkei von Erdogan ist kein zuverlässiger NATO-Partner mehr. Selbst das Verhältnis der Familie Erdogan zum „Islamischen Staat“ ist unklar und die Türkei hat unter Erdogan den Weg des Rechtsstaats verlassen. Ein solch diktatorisches Verhalten sollte man nicht durch Urlaub im Land honorieren (sofern dies in der Pandemie überhaupt möglich ist) – wenn schon Urlaub und wenn schon Mittelmeer, dann bieten sich Destinationen wie Griechenland, Zypern oder Malta an. Auf die Türkei sollte man lieber verzichten, es sei denn, man hat Lust, einen menschenverachtenden Präsidial-Diktator zu unterstützen. So lange Erdogan sein totalitäres Regime laufen lässt, ist Urlaub in der Türkei eine schlechte Idee. Schade für dieses wunderschöne Land, schade für seine freundlichen Bewohner, die, wie viele Völker in den letzten Jahren, einem populistischen Extremisten auf den Leim gegangen ist. Urlaub in der Türkei sollte erst dann wieder ins Auge gefasst werden, wenn dieser gefährliche Staatschef nicht mehr am Ruder ist…

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