Die ungarische Erpressung

Die EU hat der Ukraine rund 18 Milliarden Euro Hilfen zugesagt. Doch Ungarn blockiert die Auszahlung mit seinem Veto und schlägt sich damit faktisch auf die Seite Russlands. Ungarn wird für die EU untragbar.

... dann soll sich Orban seine Milliarden eben von seinem Kumpel Putin holen... Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Und wieder einmal sieht man, dass das Prinzip der Einstimmigkeit in der EU die Kontinental-Organisationen lähmt. Da die Auszahlung von europäischen Milliarden an Budapest aufgrund der Nichteinhaltung rechtsstaatlicher Grundstandards blockiert ist, versucht es die Regierung Orban eben mit Erpressung. Das OK zur Freigabe der Ukraine-Milliarden ist also an die Freigabe der Ungarn-Milliarden gekoppelt. Dabei wird ebenfalls deutlich, dass nicht nur das Prinzup der Einstimmigkeit ein Problem ist, sondern auch der Umstand, dass die EU Mitgliedern nicht den Stuhl vor die Tür stellen kann. Aber auf die Idee, daas Regelwerk der EU zu verändern und effizienter zu machen, kommt von den 33.000 Beamten der EU-Kommission keiner. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen enttäuscht vom Konzept „Europa“ abwenden.

Bereits seit Beginn des Ukraine-Kriegs verfolgt Ungarn eine doppelte Strategie. Während Europa und der Westen versuchen, Russland mit Sanktionen unter Druck zu setzen, hat Ungarn einen separaten Liefervertrag für Öl und Gas mit Russland geschlossen und sich erfolgreich weiteren Maßnahmen gegen den russischen Aggressor entzogen. Doch kann es nicht sein, dass ein EU-Mitgliedsstaat einerseits die russische Aggression unterstützt, andererseits aber die Hand für die Brüsseler Milliarden aufhält.

Frech ist, dass Ungarn sein Veto als „kein Veto“ verkauft. Tatsache ist, dass der ungarische Finanzminister Mihaly Varga beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel seine Zustimmung zur Auszahlung der Milliarden an die Ukraine das ungarische Veto eingelegt hat. Doch der ungarische Regierungschef Viktor Orban bezeichnete diese Nachricht als „Fake News“, denn Ungarn sei sehr wohl bereit, der Ukraine „bilateral“ zu helfen, wobei Orban die Ansicht vertritt, dass Gemeinschaftsschulden zur Unterstützung der Ukraine nicht gingen. Für die ungarischen Milliarden würde das wohl kein Problem darstellen, was einmal mehr zeigt, dass Ungarn die EU als Selbstbedienungsladen betrachtet, aber keineswegs bereit ist, die Spielregeln der EU einzuhalten. Konkret geht es um 7,5 Milliarden Euro EU-Fördermittel und 5,8 Milliarden Euro aus dem Corona-Aufbaufonds, die Ungarn sehr gerne sehr schnell kassieren möchte. Und davon sollte Viktor Orban, ginge es nach dem gesunden Menschenverstand, keinen Cent erhalten.

Die „EU-Sabotage“ Ungarns hat heftige Reaktionen bei den übrigen EU-Finanzministern ausgelöst, doch diese Reaktionen zeigen eigentlich nur die Hilflosigkeit der EU, die sich in ihrem eigenen Regelwerk verrannt hat und zu einem zahnlosen Tiger geworden ist. Die erbosten Reaktionen in der europäischen Politik zeigen nur, dass Orban und Ungarn tun und lassen können, was sie wollen. Dass nun der deutsche Finanzminister Christian Lindner sagt, dass Ungarn verantwortlich ist, dass sich die Auszahlung der Hilfen an die Ukraine verzögert, dass seine niederländische Amtskollegin Sigrid Kaag nun eine harte Haltung gegenüber Ungarn fordert, dass EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn bereits nach Möglichkeiten sucht, um das eigene Regelwerk zu umgehen, um der Ukraine die zugesagten Mittel zur Verfügung zu stellen – wen interessiert’s? Fakt ist, dass die EU es nicht einmal mehr schafft, sich selbst zu verwalten.

Doch statt permanent nach neuen, immer wieder wirkungslosen Wegen zu suchen, dieses katstrophale Regelwerk zu umgehen, wäre es allerhöchste Zeit (und vielleicht sogar zu spät dafür), die europäischen Institutionen von Grund auf zu reformieren und auf die Erfordernisse der heutigen Zeit anzupassen. Doch das wird nicht geschehen, denn diejenigen, die dieses unwirksame Regelwerk reformieren könnten, sind diejenigen, die persönlich am meisten von diesen Strukturen profitieren. Aber dass es sich die EU heute bieten lässt, dass ein Mitgliedsstaat statt der EU lieber Russland unterstützt, das geht zu weit. Europa ist auf dem Holzweg und wenn es diesen nicht schleunigst verlässt, wird es schon bald zahlreiche neue Austritte nach dem Muster des Brexit geben. Es ist traurig zu sehen, was korrupte Politiker aus der europäischen Idee gemacht haben – die Berechtigung über „europäische Werte“ zu schwadronieren, haben diese Menschen schon lange verloren.

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