Die Unruhen in Frankreich – ein Vorbild für Europa?

Durch Frankreich weht ein Sturm der Rebellion und die Fragen, die eine von Millionen Franzosen unterstützte Sozialbewegung aufwirft, lösen auch anderswo Nachdenken aus.

Nicht Frankreich sollte sich ein Beispiel an Europa nehmen, sondern Europa an Frankreich. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – In Ermangelung besserer Argumente veröffentlichen die immer weniger werdenden Anhänger des französischen Präsidenten Emmanuel Macron täglich die gleiche Graphik, die zeigt, dass in praktisch allen europäischen Ländern ein höheres Renteneinstiegsalter herrscht als in Frankreich. Doch ist der Umstand, dass anderswo länger gearbeitet wird, kein Maßstab. Im Gegenteil, während die Vermögen der Superreichen trotz (oder dank) der Weltkrisen explodieren, bedeutet längeres Arbeiten nichts weiter als höhere Gewinne für die Aktionäre der großen Unternehmen. Dabei gäbe es durchaus Möglichkeiten, ohne eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit die Rentensysteme zu reformieren.

Man sollte aufhören, freiwillig nach unten zu nivellieren. Das Interesse von Investmentsfonds und Superreichen darf nicht länger über dem Interesse der Allgemeinheit stehen. Man sollte nicht in Frankreich überlegen, wie man das Renteneintrittsalter erhöhen kann, sondern man sollte in den anderen europäischen Ländern nachdenken, wie man das Renteneintrittsalter absenken kann.

In den letzten Jahrzehnten sind zwei Dinge deutlich angestiegen – die Lebenserwartung der Menschen und die Produktivität in der Wirtschaft. Doch die Gewinne durch die Produktivitätssteigerung wandern einzig und alleine in die Taschen von institutionellen und privaten Anlegern – während man gleichzeitig nichts dafür tut, dass der Lebensabend für alle Menschen würdig und materiell abgesichert ist.

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine französische Revolte auf ganz Europa ausstrahlt. 1789 oder 1848 sind gute Beispiele, bei denen die Franzosen gezeigt haben, dass man sich nicht alles von der Obrigkeit gefallen lassen muss, wenn diese die Grundrechte der Bevölkerung mißachten.

Die Zukunft kann nicht darin liegen, alte Menschen in nicht vorhandene Jobs pressen zu wollen. Stattdessen sollten die Gewerkschaften und Parteien lieber darüber nachdenken, wie man die geradezu schamlosen Gewinne der Krisen- und Kriegsgewinnler so umleitet, dass es möglich wird, dass Menschen mehr von ihrem Lebensabend haben. Von Frankreich lernen, heißt Lebensqualität lernen.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste