Die USA fürchten sich vor sich selbst

Vor der Amtseinführung von Joe Biden in der kommenden Woche liegen die Nerven in Washington blank. Das FBI spricht von „bewaffneten Protesten“ und über 20.000 Soldaten sollen die Hauptstadt schützen. America ist gerade alles andere als „great“.

Nächste Woche dürften es die Trump-Inland-Terroristen nicht so leicht haben, das Capitol anzugreifen. Foto: The National Guard / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Der Schaden, den Donald Trump in vier Jahren Amtszeit seinem Land zugefügt hat, ist riesig. Vier Jahre lang Lügen, Korruption, Manipulationen – und heute ist das Land gespalten wie nie zuvor. Wie in allen Ländern, in denen sich zwei große Parteien an der Macht abwechseln, ist die politische Landschaft in den USA immer schon vom Wechsel zwischen Demokraten und Republikanern geprägt gewesen. Auch haben Politiker immer schon gelogen. All das ist nicht neu. Doch Donald Trump hat in diesen vier Jahren den Hass auf Andersdenkende eingeführt und extremistische Kräfte an die Oberfläche gespült, die normalerweise in kleinen Kreisen im Untergrund unterwegs waren. Diese extremistischen, oft rassistischen und sogar offen faschistischen Gruppen haben dank Trump heute Rückenwind und stellten auch das Gros der Randalierer, die am 6. Januar das Capitol in Washington stürmten. Und jetzt?

Die USA müssen sich nächste Woche vor sich selber schützen. Donald Trump hat es geschafft, seine Anhänger derart zu manipulieren, dass sein Gejammer der „gefälschten Wahlen“ bei fast der Hälfte der Amerikaner gegriffen hat. Da Trump aber auch explizit militante Gruppen angesprochen hat und diesen eine Art Ritterschlag verpasste („die mögen mich, das sind anständige Leute“), fühlen sich diese extremistischen Gruppen heute berufen, sich gegen die vermeintlich gefälschten Wahlen zur Wehr zu setzen. Argumente, wie beispielsweise dass die gerichtliche Überprüfung der Wahlfälschungs-Vorwürfe keinerlei Hinweis darauf erbracht hätte, dass diese Wahlen nicht korrekt abgelaufen seien, werden nicht mehr gehört. Das Gefühl betrogen worden zu sein, das Trump in den Köpfen seiner Anhängerschaft eingepflanzt hat, ist solide. Diese Menschen sind von einer Art „heiligem Zorn“ erfüllt und haben das Gefühl, die „richtige Sache“ zu vertreten. Und genau das macht sie gefährlich.

Washington ähnelt heute einer Stadt im Belagerungszustand. Die Amtseinführung von Joe Biden wird nicht etwa ein Volksfest werden, bei dem der Staffelstab vom 45. zum 46. Präsidenten der USA weitergegeben wird, sondern eine Nagelprobe für die amerikanische Demokratie. Das FBI warnt vor „bewaffneten Protesten“ in praktisch allen Hauptstädten der US-Bundesstaaten und auch in anderen großen Städten und Donald Trump ruft zum letzten Gefecht. Dass Trump über die ihm noch zur Verfügung stehenden Kanäle „mäßigende“ Botschaften an seine Anhänger sendet, ist geradezu perfide, denn in diesen Botschaften wiederholt er mantra-artig seine Behauptungen, dass er Opfer einer Wahlfälschung geworden sei, was ja vollumfänglich wiederlegt wurde. Nur, dadurch, dass er dieses Märchen aufrecht hält, stachelt er immer weiter diesen „bewaffneten Widerstand des Trailer Parks“ an und schürt damit die Gefahr bürgerkriegsähnlicher Zustände nächste Woche in den USA.

In den USA brummen die Sozialen Netzwerke – und die Behörden lesen mit. Und je mehr die Behörden mitlesen, desto grösser sind die Sorgen, dass wir nächste Woche eine Welle der Gewalt in den USA erleben, wenn Amerikaner gegen Amerika vorgehen. Schuld an dieser Situation ist eine Person, gegen die erstmals in der Geschichte der USA ein zweites Amtsenthebungsverfahren in nur einer Amtszeit eröffnet wurde, eine Person, die wie ein Kleinkind nicht akzeptieren kann, dass es gerade sein Spielzeug kaputtgemacht hat und nun alle schäbigen Tricks anwendet, um das zerbrochene Spielzeug noch zu retten.

Der amerikanische Kongress hat völlig Recht, das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump mit allen Mitteln zu versuchen. Einen solchen Angriff auf sein eigenes Land darf man nicht als Bagatelle oder leichte Verrücktheit abtun, sondern es muss konsequent reagiert werden. Wer die Demokratie angreift, hat in einem demokratischen System keine Rolle mehr zu spielen. Hoffen wir, dass es nächste Woche nicht zum großen Clash kommt – jede Sachbeschädigung, jeder Verletzte, jeder Tote wird auf das persönliche Konto von Donald Trump gehen. Vier lange Jahre gehen zuende und Donald Trump hat sein wichtigstes Wahlversprechen nicht eingelöst – er hat America nicht etwa „great“ gemacht, sondern die USA in eine Art Bananenrepublik verwandelt, in der Soziale Netzwerke und „Fake News“ eine größere Rolle spielen als der gesunde Menschenverstand. Drücken wir unseren amerikanischen Freunden die Daumen, dass sie die nächste Woche gut und gesund überstehen – damit der Albtraum Trump endlich zu einem Ende kommt.

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