„Die Verteidigung unserer Freiheit beginnt am Hindukusch…“

Die in Afghanistan alliierten Westmächte ziehen aus dem gebeutelten Land ab und überlassen es den Taliban. Aber waren wir nicht vor Ort, um am Hindukusch „unsere Freiheit zu verteidigen?“

20 Jahre Afghanistan-Einsatz und ein einziger Gewinner - die Taliban. Foto: U.S. Department of Defense / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Seit 2002 sind die Westmächte in Afghanistan engagiert gewesen, in der Folge der Anschläge auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 und dem in der Folge von George W. Bush ausgerufenen „Krieg gegen das Böse“. Der Abzug der westlichen Soldaten spielt Afghanistan wieder den Taliban in die Hände, die das Land bereits von 1996 bis 2001 mit einer Schreckensherrschaft überzogen hatten. Und genau dorthin geht die Reise jetzt wieder. Die fast 20 Jahre Präsenz der westlichen Truppen in Afghanistan hat nichts gebracht als Opfer, Kosten und Elend.

Mehr als die Hälfte der Bezirke Afghanistans befindet sich bereits wieder in den Händen der Taliban, einschließlich Bezirken, in denen sie zuvor nicht vertreten waren. Dazu kontrollieren sie heute die wichtigsten Grenzübergänge nach Pakistan und zum Iran. Dort, wo gestern noch die reguläre afghanische Verwaltung dringend benötigte Zolleinnahmen erzielte, kassieren heute die Taliban.

Die Bilanz ist verheerend. Diese 20 Jahre, die insgesamt nach Angaben des Watson Instituts für Internationale Studien der Brown University zwischen 2,2 und 2,8 Billionen Euro gekostet haben (davon 12,2 Milliarden für die Bundesregierung), 360.000 Menschenleben und 8 Millionen Vertriebene, haben nichts, aber auch gar nichts gebracht. Im Gegenteil, nach diesen 20 Jahren gehen ausgerechnet die Taliban als die großen Gewinner aus dieser Auseinandersetzung hervor, stärker noch als Anfang des Jahrtausends, als sie von der Macht vertrieben wurden.

Mehrere Jahrhunderte lang haben sich alle Supermächte, die Afghanistan unter ihre Kontrolle bringen wollten, an den schwierigen Bedingungen dieses Landes die Zähne ausgebissen. Die Briten konnten das Land nicht kontrollieren, die Russen holten sich eine deftige Niederlage ab, die Amerikaner konnten sich nicht durchsetzen und zuletzt scheiterte die „Koalition der Willigen“.

Und damit endet auch das Märchen, mit dem dieser jahrelange Einsatz mit seinen hohen Opfern rechtfertigt wurde – „wir verteidigen unsere Freiheit am Hindukusch“. Warum wir ausgerechnet am Hindukusch unsere Freiheit verteidigen müssen, wurde dabei nie so richtig klar. Und nun wissen wir es – die Westmächte haben das Land 20 Jahre lang für die Taliban warmgehalten, die nun wieder ihre mittelalterliche Theokratie einrichten. Die gab es vorher, die gibt es nun auch nachher. Außer Spesen nichts gewesen?

Für die Afghanen selbst ist diese Entwicklung eine Katastrophe und sie ging so schnell, dass sie heute bereits zementiert ist. Die Taliban kontrollieren die wichtige „Ringstraße“, mit der die wichtigsten Städte Afghanistans verbunden sind und hält damit bereits heute wieder den Daumen auf alle Bewegungen im Land.

Man sollte nicht vergessen, dass auch in der fundamental-islamistischen Welt ein harter Kampf um die Führungspositionen tobt. Nachdem sich der „Islamische Staat“ (zum Glück) als unfähig erwiesen hatte, eroberte Gebiete zu halten und zu verwalten, nachdem andere Gruppen und Gruppierungen kein politisches Gewicht entwickeln konnten, schlägt nun wieder die Stunde der Taliban, deren Führungsanspruch sich keineswegs nur auf Afghanistan beschränkt.

Was bleibt, sind 20 Jahre eines ziel- und sinnlosen Einsatzes am Hindukusch, wo wir nicht etwa unsere Freiheit verteidigt haben, sondern lediglich den Rachefeldzug der USA mitgetragen haben. Dies hat Menschenleben und viel Geld gekostet – nur, um den jetzt gestärkten Taliban den Weg zu ebenen. Gelohnt hat sich das für niemanden. Schon gar nicht für die Afghanen.

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