Die Volksparteien schaffen sich selber ab…

Der Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer ist ein Zeichen – die Ära der Volksparteien, die Wahlergebnisse von 40+ % holen konnten, sind vorbei.

So sieht es gerade in der deutschen Parteienlandschaft aus... Foto: Victorrocha / US Army / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Als Thilo Sarrazin vor Jahren sein entsetzliches Buch „Deutschland schafft sich selber ab“ verfasste, da konnte der SPD-Politiker noch nicht ahnen, dass sich in nur wenigen Jahre die deutsche Politiklandschaft grundlegend verändert haben sollte. Die SPD machte es schließlich vor, wie man als ehemalige Volkspartei in den 8 – 15 %-Bereich taumeln kann. Die CDU rieb sich höhnisch die Hände, dass ihr traditioneller politischer Gegner implodierte. Doch nun droht ihr das gleiche Schicksal.

Thüringen ist eben nicht nur Thüringen. Das, was sich seit einigen Tagen in Erfurt abspielt, ist der politische Offenbarungseid derjenigen Parteien, die sich mehr oder weniger seit 1949 die politische Macht in Deutschland teilten – CDU, SPD und FDP zeigen deutlich, dass sie nicht mehr in der Lage sind, mit einer Welt klarzukommen, in der Unglaubliches in einem schnellen Tempo passiert. Die Unfähigkeit dieser Parteien, schnell und pragmatisch auf das Schlamassel zu reagieren, das sie in Thüringen selbst angerichtet haben, erklärt, warum der Abwärtstrend dieser ehemaligen Volksparteien kaum noch aufzuhalten sein wird. Dass diese Parteien während ihres Untergangs allerdings die Extremisten nach oben spülen, ist nicht nur ärgerlich, sondern ein Verrat an allen Wählerinnen und Wählern, die noch für diese Parteien stimmen.

AKK ist persönlich daran gescheitert, dass sie innerhalb der CDU keine Seilschaften aufbauen konnte – den Schritt von Saarbrücken nach Berlin hatte sie sich wohl einfacher vorgestellt. Ihr Mangel an Autorität zeigte sich in Thüringen, wo es der dortigen CDU herzlich egal war, was ihre nach Erfurt geeilte Parteichefin zu sagen hatte. Doch das war nicht ihr einziges Manko in Erfurt – sie scheiterte ebenso daran, dass sie nach wie vor das in der CDU verbreitete Schwarz-Weiß-Denken („keine Zusammenarbeit mit der Die Linke, keine Zusammenarbeit mit der AfD“) verteidigt. Das Gleichsetzen des über seine Parteigrenzen hinaus anerkannten Bodo Ramelow mit dem Faschisten Höcke zeigt, dass es der CDU inzwischen an der Feinjustierung fehlt. Wer derart starrsinnig an realitätsfremden Dogmen festhält und dafür im Gegenzug akzeptiert, gemeinsame Sache mit Faschisten zu machen, der verspielt zurecht seinen Status als Volkspartei.

Und so macht sich eine plan- und führungslose CDU auf den Weg, den vor ihr schon die SPD gegangen ist. Die SPD hat wenigstens das Verdienst, ein Minimum an Analyse und Selbstkritik aufzubringen und sich langsam daran zu machen, das verlorene Profil zurückerobern zu wollen. Ob das gelingt, ist zwar eine andere Frage, doch wenigstens versucht es die SPD.

Da gleichzeitig auch der Mehrheitsbeschaffer der letzten Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts, die FDP, wieder ziemlich schnell in der Versenkung verschwinden dürfte, nach dem Theater, das sie in Erfurt abgezogen hat und unter einem stark angeschlagenen Christian Lindner, bleibt nicht mehr viel übrig im Parteienspektrum. Die Grünen, die AfD, Die Linke – und keine dieser Parteien ist eine „Volkspartei“.

Der Umstand, dass es Angela Merkel versäumt hat, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin aufzubauen, stellt sich als grober Fehler dar. Gleich, ob nun Friedrich Merz oder Jens Spahn AKK beerben, in jedem Fall rückt die CDU tatsächlich weiter nach rechts, doch dort braucht sie niemand, da dieser Platz rechts von der CDU bereits von der AfD besetzt ist.

Die politischen Auswirkungen von „Thüringen“ sind noch gar nicht abzusehen, doch der Griff der thüringischen AfD ins Honigtöpfchen der Macht war wie ein Fanal. Endlich begreifen die Deutschen, wie sich Faschisten an die Macht schleimen und man sieht, dass die früheren Volksparteien viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, als dass sie ein demokratisches Bollwerk gegen Neofaschisten errichten könnten. Wenn es heute aus der Berliner Parteizentrale der CDU tönt „keine CDU-Stimme für Bodo Ramelow“, dann bedeutet das nichts anderes, als dass die CDU immer noch nicht verstanden hat, was sie da in Erfurt angerichtet hat. Die Wählerinnen und Wähler verstehen das allerdings sehr gut und die Quittung für diese unglaubliche politische Instinktlosigkeit werden CDU, FDP und hoffentlich auch die AfD bei den nächsten Wahlen präsentiert bekommen.

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