Die Vorstandskür wird zur Farce

Schwache Wahlbeteiligung, monatelanges Phrasengedresche, viel Medienpräsenz – die Wahl der neuen Parteispitze der SPD zeigt nicht viel mehr auf als den Untergang einer traditionsreichen Partei.

Die Kür des neuen Parteivorsitzes wird zu einem Dauerlangweiler... Foto: Donald Trung Quoc Don / Wikimedia Commons / © CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Nein, die Geschichte ist immer noch nicht durch. Die SPD, einstmals stolze Regierungspartei, die heute bei jeder Landtagswahl um die 10 %-Marke kämpft, hat noch lange keinen neuen Vorstand. Nach 22 Regionalkonferenzen, auf denen sich jede Menge Kandidaten und Kandidatinnen im für die SPD revolutionären und von den Grünen seit Jahrzehnten praktizierten Mann-Frau-Format um den Parteivorsitz bewarben, war auch der erste Wahlgang ein ziemlicher Flopp. Gerade mal die Hälfte der SPD-Mitglieder nahm an der Wahl teil und das Ergebnis, naja, dafür hätte man sich diese Monate auch schenken können. Dass Olaf Scholz mit seiner Kollegin Klara Geywitz vorne liegen würde, dafür musste man kein Hellseher sein. Aber wie gesagt, in Amt und Würden sind die beiden noch lange nicht, die qualvolle Suche nach dem Parteivorsitz geht immer noch weiter.

Gerade mal 23 % der Stimmen konnte das Tandem Scholz / Geywitz auf sich vereinen, gefolgt von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken mit 21 %. Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Aha. Viele SPD-Mitglieder wissen nicht einmal, wer die beiden sind und außerhalb der SPD sind die beiden völlig unbekannt. Egal. 21 %. Und ab geht’s in die Stichwahl und selbst nach der Stichwahl ist diese Hänge- und Würgepartie immer noch nicht vorbei. Denn dann muss im Dezember der Parteitag das Ergebnis der Stichwahl bestätigen. Man mag sich gar nicht vorstellen, was passiert, sollte der Parteitag das Ergebnis dieser Stichwahl nicht bestätigen – geht dann die ganze Nummer von vorne los?

Das maue Abschneiden der SPD bei der Landtagswahl in Thüringen (8,2 %…) könnte Norbert Walter-Bojans und Saskia Esken in die Karten spielen – wenn die SPD nach dieser neuerlichen Backpfeife immer noch nicht bereit ist einen Neuanfang zu wagen, dann könnte sie ganz von der Bildfläche verschwinden. In dieser Situation könnten sich viele SPD-Anhänger gegen Olaf Scholz entscheiden, der genau für diese Generation steht, in der die SPD (aber auch andere…) an die Wand gefahren sind.

So oder so, die Kommunikations-Strategen im Willy-Brandt-Haus reiben sich die Hände – selten war die SPD in den letzten Jahren so massiv in den Medien vertreten als mit dieser Vorsitzendenwahl. Das haben sie ja auch an der Uni gelernt: Viel Medienpräsenz ist gut. Was man ihnen aber an der Uni wohl nicht gesagt hat, ist dass Dauerpräsenz als orientierungslose Slogan-Partei genau das Gegenteil von gut sein kann. Seit rund einem halben Jahr verklickert die SPD den bundesdeutschen Wählerinnen und Wählern, dass sie keine Ahnung hat, wo sie hinsteuern will.

Stramme Sozialdemokraten wie Ralf Stegner oder Karl Lauterbach mit ihren Kolleginnen Gesine Schwan und Nina Scheer waren den Mitglieder wohl zu „links“, andere Kandidatenpärchen waren so unbekannt, dass man Probleme hatte, bei ihnen irgendeine politische Ausrichtung zu erkennen. Also blieb der mit dem Charisma eines Buchhalters ausgestattete Olaf Scholz, der den Vorteil hatte, dass man den Namen schon mal gehört hat. Immerhin ist der Mann Bundesfinanzminister.

Wenn man die Wahlbeteiligung sieht, nämlich 53 % der SPD-Mitglieder, dann erkennt man, dass es trotz aller trotzigen Behauptungen des Gegenteils mit der SPD weiter abwärts geht – der von diesem Wahlformat erhoffte Aufschwung fällt aus. Nach der letzten Bundestagswahl nahmen noch 76 % der Parteimitglieder an der Abstimmung teil, ob es eine Große Koalition geben solle oder nicht. Seitdem ist 23 weiteren Prozent selbst die Lust vergangen, ihren neuen Parteivorsitz zu bestimmen. Nur – wenn die SPD inzwischen schon den SPD-Mitgliedern egal ist, woher will man künftig neue Wähler und Wählerinnen bekommen?

Die SPD steht irgendwann im Dezember (wenn es dann hinhaut) vor einer Weggabelung. Entweder, sie macht mit Olaf Scholz und Klara Geywitz dort weiter, wo sie gerade steht, nämlich am Abgrund oder sie tritt mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken den Weg ins Unbekannte an. Doch bis es dann soweit ist, dürfte die SPD noch jede Menge Sympathie-Punkte, da vielen diese endlose Nabelschau langsam mächtig auf die Nerven geht.

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