Die wahre Gefahr für Frankreichs Demokratie

Die Spielchen von Emmanuel Macron, der nach 50 Tagen immer noch keinen Regierungschef ernannt hat, werden nervig bis lächerlich. Der Mann tut alles, um das Wahlergebnis vom 7. Juli nicht umzusetzen.

"You know, Emmanuel, manchmal ist es für das Land besser, wenn man sich zurückzieht..." Foto: The White House / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Wenn man sich für gottgesandt hält, wie Emmanuel „Jupiter“ Macron das tut, dann ist Demokratie nichts anderes als ein Ärgernis. Folglich hält sich Emmanuel Macron auch nicht an das Ergebnis der von ihm selbst vorgezogenen Parlamentswahlen gebunden, sondern versucht jeden Trick, um seine gefledderte Partei, die in der Nationalversammlung nur noch eine nicht handlungsfähige „präsidiale Minderheit“ darstellt, an der Macht zu halten. Dazu sind inzwischen fast alle Aussagen dieses Präsidenten in der Schublade „wer dran glaubt, ist selber Schuld“ einzuordnen.

Wie kann es Emmanuel Macron wagen, von „Stabilität“ zu sprechen, nachdem er das Land ohne Not ins größte politische Chaos der V. Republik gestürzt hat? Wie konnte er es wagen, die gemeinsame Kandidatin der stärksten Fraktion, der „Neuen Volksfront“, mit dem Hinweis abzulehnen, dass Louise Castets eventuell ein Mißtrauensvotum verlieren könnte? Alle Kandidaten, die er selbst ins Gespräch bringt, Bernard Cazeneuve, Xavier Bertrand oder der weitgehend unbekannte Thierry Beaudet, dürften noch viel eher die erste Abstimmung im Parlament nicht überstehen. Es geht, und das erkennen die Franzosen immer deutlicher, nur darum, die Franzosen des Wahlergebnisses vom 7. Juli zu berauben und seine eigenen Truppen an der Macht zu halten.

Dies ist das Verhalten des Kalifen, der sich seinen Kanzler aussucht, und dabei auf keinerlei Wahlen oder gar den Volkswillen Rücksicht nimmt. Dass er sich hierzu mit denen berät, die vor ihm das Land bereits an den Abgrund geführt haben, die früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande, spricht Bände. Immerhin, wenigstens deren Weg hat Macron erfolgreich weitergeführt – das Land ist heute am dritthöchsten in Europa verschuldet, sprengt systematisch die Maastrichter Stabilitätskriterien und befindet sich in einer Lage der öffentlichen Ausgaben, die kein anderes europäisches Land kennt. Die Macronie hat abgewirtschaftet, sie wurde am 30. Juni und 7. Juli von den Franzosen abgewählt und setzt alles daran, so weiterzumachen wie zuvor.

Die politische Gefahr für Frankreichs Demokratie droht nicht etwa von Linksaußen und der LFI, ja, nicht einmal von den Rechtsextremen des Rassemblement-ex-Front National, sondern von der Macronie, die gerade versucht, aus Frankreich eine Art parlamentarischer Monarchie zu machen, wobei die parlamentarische Komponente eine untergeordnete Rolle spielt – alles dreht sich nur um einen Präsidenten, der sich für einen „König von Gottes Gnaden“ hält und sich entsprechend verhält.

Lange werden sich die Franzosen die schon fast pathologische Personality Show dieses Präsidenten nicht mehr anschauen. Die politische Auseinandersetzung wird sich wieder einmal auf die Straße verlagern und wen immer Macron zum nächsten Regierungschef ernennen wird, er wird die Unruhe und Unzufriedenheit nicht glätten können. Denn keiner der aktuell gehandelten Kandidaten oder deren Parteien sind für dieses Amt gewählt worden oder hätten eine Legitimität, eine französische Regierung zu führen. Aber in Emmanuel Macrons Verständnis soll der nächste Regierungschef das auch gar nicht – seine Aufgabe wird es sein, die Opposition zu zerschlagen und den göttlichen Willen des Präsidenten umzusetzen, wobei der Premierminister darauf achten muss, ja keinen Schatten auf den Präsidenten zu werfen.

Und immer noch besteht der Verdacht, dass Macron absichtlich so vorgeht. Nach der krachenden Niederlage seiner Partei bei der Europawahl am 9. Juni, nach der Macron sofort die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen verkündete, muss man in Paris schon arg realitätsfremd gewesen sein, wenn man nach dieser Schlappe gedacht haben sollte, dass die Franzosen seine Partei bei der vorgezogenen Parlamentswahl anders behandeln würden als bei der Europawahl. Es ist eher wahrscheinlich, dass Macron wusste, dass seine Partei auch bei dieser Parlamentswahl abgestraft werden wird und er darauf abzielt, Frankreich wirklich unregierbar zu machen – um dann Artikel 16 zu aktivieren und die Alleinherrschaft über das Land zu übernehmen. Entweder verfolgt er einen solchen machiavellischen Plan, oder aber man hat im Elysee-Palast die Bodenhaftung verloren. So oder so, Macron hat sich tatsächlich in eine Situation manövriert, in der nur noch sein Rücktritt das absolute politische Chaos verhindern könnte. Doch zuvor wird das Land noch einen Regierungschef bekommen, den die Franzosen nicht wollen, Regierungen werden gestürzt werden, und Frankreich wird immer tiefer im Macron’schen Sumpf versinken. Ob auf Sankt Helena noch ein Plätzchen frei ist?

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