Die Welt der Oper schaut auf dieses Haus

Jedes Jahr kürt das bedeutende Opernmagazin „Opernwelt“ eine „Oper des Jahres“. Der Titel für die Spielzeit 2018/2019 geht an das Drei-Städte-Haus im Elsass – Straßburg, Mülhausen und Colmar dürfen feiern – und die Oberrhein Region gleich mit.

Oper des Jahres 2019 - die Rheinoper in Strassburg! Foto: Pedro J. pacheo / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(Von Michael Magercord) – Es war eine Saison, die traurig endete: Als sich die erfolgreiche Spielzeit 2018/2019 dem Ende zuneigte, erkrankte die Direktorin schwer. Eva Kleinitz verstarb Ende Mai im Alter von nur 47 Jahren. Am Mittwoch wurde ihr nun eine Hommage der besonderen Art zuteil: Die Rheinoper, der sie zwei Spielzeiten vorstand, wurde der Titel „Oper des Jahres“ verliehen.

Das bedrückende Stück „Psychosis 4.48“ in der beeindruckenden Aufführung von Ted Huffman war kaum beendet, da trat Albrecht Thiemann, Redakteur der Zeitschrift Opernwelt, die Bühne, denn er hatte eine frohe Botschaft zu verkünden: Die Rheinoper ist „Oper des Jahres 2019“. Das war zwar nicht ganz Hollywood, aber Applaus brandete dennoch auf, denn dieser Titel der Opernwelt gehört zu den begehrtesten, die man in der Welt der Oper erringen kann. Vergeben wird er zusammen mit Auszeichnungen in weiteren Kategorien wie Sänger, Dirigent oder Regie von der Fachmagazin aus Berlin. Fünfzig unabhängige Fachjournalisten vorwiegend aus Deutschland, aber auch Europa und sogar den USA stimmen darüber ab.

Das Verfahren ist einfach: Es gibt keine Vorauswahl, keine Liste, jeder Juror schreibt einfach seinen Favoriten auf den Zettel und wer die meisten Nennungen erhält, ist erwählt. Es sei, so Albrecht Thiemann, ein Verfahren, dass zwar keinen eindeutigen Sieger kürt, aber für ungeheure Vielfalt sorgt. Sieben der fünfzig Juroren hatten dieses Jahr Straßburg notiert, und es waren sicher etliche darunter, die dieses Votum aus Anerkennung für Eva Kleinitz taten. Denn in ihren zwei Spielzeiten hatte die Direktorin tatsächlich einiges bewirkt: neben dem weitgefächertem Repertoire der Aufführungen hat sie noch das Festival Arsmondo auf die Beine gestellt.

Doch habe die Rheinoper, wie ein Juror aus Freiburg, der seine Stimme Straßburg gab, versicherte, schon längere Zeit viel Aufmerksamkeit über die Grenzen des Elsass und Frankreichs hinaus auf sich gezogen. So hatte der einstige Direktor Marc Clémeur dem Haus seine europäische Ausrichtung gegeben und Zweisprachigkeit bei den Übertiteln eingeführt. Und vor allem künstlerisch fuhr er eine klare Linie: Moderne ja, aber immer auch mit Wurzeln im Bestehenden.

Eva Kleinitz entwickelte diese Linie konsequent weiter, so auch noch für die laufende Spielzeit: neben dem klassischen Repertoire aus Dvoraks Rusulka, Mozarts Cosi fan Tutte und einem „germanischen“ (O-Ton Clémeur) Werk, nämlich Wagners Parzifal, wird die vermeintlich leichte Muse mit Anatevka zum Zuge kommen – und eben auch das Ungewöhnliche, dieses Mal eine indische Oper, die im Rahmen des Arsmondo¬-Festivals im März aufgeführt wird.

Es gibt also Grund genug, auch in diesem Jahr in die Oper des Jahres zu gehen. Und keine Sorge, die Besucher werden wohl noch des Öfteren darauf aufmerksam gemacht, dass er sich im Hause eines Titelträgers befindet. Denn stolz ist man in Straßburg, Mülhausen und Colmar auf die Auszeichnung und will sie nun auch nutzen, wenn’s einmal mehr ums gar nicht so liebe Geld geht. Die Stadt und der Staat – immerhin ist man ja Opéra National – soll endlich Mittel zur Renovierung der veralteten Bühnentechnik bereitstellen – wobei man natürlich einwenden könnte: der Titel wurde trotz der alten Technik geholt, und vielleicht auch, weil so manche wirklich künstlerisch und ästhetisch überraschende Idee erst reift, wenn man gerade nicht immer nur aus dem Vollem schöpfen kann…

Das ist natürlich Spekulation. Oder eine Warnung, nicht übermütig zu werden und etwa ein ganz neues Operngebäude – vermutlich aus Beton – irgendwo am Rheinufer zu errichten. Doch doch, solche Pläne kursieren schon eine Weile in den entsprechenden Kreisen. Und wie ernst hochfliegende Pläne darin kursieren, zeigt das Theater Maillon, das nun in einen Betonkasten ziehen wird, während dessen einstige Spielstätte in der schönen und interessanten Messehalle aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts schlichtweg abgerissen wurde.

Nein, da halten wir es mit dem ehemaligen Direktor Marc Clémeur, der zum Ende seiner Amtszeit an der Straßburger Oper gegenüber Eurojournalist(e) zu etwaigen Neubauplänen sagte: „Auch wenn nun die Straßenbahn über den Rhein fährt, wird das nicht funktionieren. Niemand will nach vier Stunden Tristan und Isolde sich wieder in die Straßenbahn setzen und letztlich doch nur ins Stadtzentrum zurückzufahren, um dort noch etwas zu trinken”. Voila, in diesem Sinne erheben wir nun das Glas: Glückwunsch zum Titel “Oper des Jahres”, altes Haus!

Informationen zur Saison 2029/2020 unter: www.operanationaldurhin.eu

Komplettes Interview mit Marc Clemeur nochmal hier.

 

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