Die Welt des Sports wird immer verrückter

EM 2021, Olympische Spiele in Tokio, Superleague, nationale Meisterschaften – ob die Sportverbände mitbekommen haben, dass wir in einer weltweiten Pandemie stecken?

Ob die UEFA für die EM in 12 Ländern neben Zuschauern in den Stadion auch auf Public Viewing besteht? Foto: AxelHH / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der Sommer nähert sich mit Riesenschritten und die Covid-Pandemie hat bereits riesige Lücken in die nationalen und internationalen Event-Kalender gerissen. Die meisten Sommerfestivals sind bereits bis in den Herbst hinein abgesagt, doch während die Kultur zähneknirschend den Realitäten folgt, scheint die Welt des Sports immer noch nicht verstanden zu haben, dass Veranstaltungen, wie man sie sich wünscht, momentan eben einfach nicht stattfinden können. Die Hartnäckigkeit, mit der verschiedene Sportveranstaltungen aufrechterhalten werden, ist unglaublich.

Die internationalen Fußball-Verbände liegen im Rennen um die „Goldene Zitrone“ weit vorne. So besteht die UEFA nach wie vor darauf, dass die vom 11. Juni bis zum 11. Juli geplante Europameisterschaft vor Zuschauern stattzufinden hat. Beim erstmals geplanten Format, bei dem die EM nicht etwa in einem Land, sondern in ganz Europa stattfinden soll (Spielorte London, Rom, Baku, München, Sankt Petersburg, Budapest, Bukarest, Amsterdam, Glasgow, Dublin, Bilbao und Kopenhagen), müssen Teams, Betreuerstab, Medien Reisetouren unternehmen, die momentan schlicht und ergreifend nicht zu organisieren sind. Die Bedingung der UEFA, dass die Spiele vor Publikum stattfinden MÜSSEN, zeigt eigentlich nur, dass den Sportfunktionären die aktuelle Pandemie (und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken) völlig egal sind. Wenn es Geld zu verdienen gibt, dann stehen die Verbände in der ersten Reihe, wenn es aber darum geht, sich verantwortungsbewusst zu verhalten, dann sucht man die Verbände vergeblich.

Selbst OHNE Zuschauer wäre die Organisation dieser EM 2021 praktisch nicht zu stemmen. Sämtliche Länder, in denen Spiele stattfinden sollen, haben ihre eigenen Einreise- und Quarantäne-Regeln, die wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, wenn die ersten Spieler, Betreuer oder Journalisten „in der Blase“ positiv getestet werden. Abgesehen von einer völligen Verzerrung des sportlichen Wettbewerbs diktieren die Verbände sämtlichen Akteuren ein Risiko, das nicht zu verantworten ist.

Wie geldgeil die Verbände sind, hat man gerade erst am (vorerst gescheiterten) Versuch der Gründung einer „Superleague“ gemerkt, die von der UEFA mit massivstem Druck verhindert wurde, da der Kontinentalverband selbst gerade ein neues Format der Champions League auf den Markt werfen will, mit dem die Anzahl Spiele der Champions League fast verdoppelt wird (was dann auch die TV-Einnahmen fast verdoppelt). Auch die nationalen Verbände stehen nicht zurück und ziehen in vielen Ländern ihre nationalen Meisterschaften konsequent durch. Dass ganze Teams ihre Spiele nicht austragen können, weil sie in Quarantäne müssen, scheint den Verbänden auch keine Probleme zu machen. Hauptsache, der Rubel rollt.

Auch die bereits um ein Jahr verschobenen Olympischen Spiele in Tokio werden bereits jetzt zur Farce. Vom 23. Juli bis zum 8. August soll sich die Jugend der Welt in der japanischen Hauptstadt treffen und dort das Fest des Sports feiern. So ganz wohl ist den Veranstaltern dabei offenbar nicht, denn sie verlangen von allen Teilnehmern (und den riesigen Funktionärsgruppen) nicht nur negative Tests bei der Einreise, sondern auch eine juristische Freistellung für eventuelle gesundheitliche Folgen im Falle einer Erkrankung vor Ort.

Es ist unbegreiflich, wie man in der aktuellen Situation versuchen kann, solche Events zu stemmen, wo man genau weiß, dass die mit Reisetätigkeit, sozialen Kontakten und anderen Dingen verbunden ist, die momentan nicht nur nicht funktionieren, sondern geradezu gefährlich sind. Die einzigen, die diesen kollektiven Wahnsinn verhindern können, sind die Sportler selbst, indem sie sich weigern, an dieser Huldigung an König Mammon teilzunehmen. Auf die Vernunft der Verbände zu bauen, ist aussichtslos – denn wären die Verbände auch nur ein Stückchen verantwortlich, hätten sie diese Mega-Events bereits von sich aus abgesagt. Für die Sportler wird es schwierig, denn sie sind als Profis in dieses System des Big Business eingebunden und würden im Zweifelsfall mit massiven Konsequenzen zu rechnen haben.

Bleiben nur noch wir, die TV-Zuschauer solcher Veranstaltungen. Die einzige Reaktion auf die irrsinnige Haltung der Verbände ist ein Boykott der Übertragungen. Es sei denn, man findet es spannend Wettbewerben zuzuschauen, bei denen es nicht nur darum geht, sportliche Erfolge einzufahren, sondern sich möglichst nicht mit einer potentiell tödlichen Krankheit anzustecken. Angesichts der Risiken, die man den Sportlern aufbürdet, erinnern diese Events inzwischen eher den Gladiatoren-Kämpfen im alten Rom. Und das sollte man auch als TV-Zuschauer nicht unterstützen…

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