„Die wollen uns bei sich nicht haben!“

Wie man im Elsass die deutschen Maßnahmen zur grenzüberschreitenden Virus-Eindämmung sieht. Da hat einiges in der Kommunikation nicht richtig funktioniert.

Ob Region Grand Est, Elsass oder Badnerland - Risikozone ist jetzt überall. Foto: Christophe Vigneron / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die Art und Weise, wie man in Baden die Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung des Coronavirus gestartet hat, sind im Elsass auf großes Unverständnis gestoßen. Und in der Tat kann man das verstehen, denn die einschneidenden Veränderungen sollen innerhalb weniger Stunden umgesetzt werden, ohne dass es im Vorfeld eine Information gegeben hätte. Dazu kommt, dass die Maßnahmen nicht überall die gleichen sind – das deutsch-französische Grenzgebiet umfasst drei deutsche Bundesländer, in denen die Dinge nicht überall gleich organisiert sind.

Elsässische Grenzgänger berichten davon, wie sie an ihrem (in Deutschland befindlichen) Arbeitsplatz erst schräg angeschaut und dann heimgeschickt wurden; andere erzählen, wie sie bereits bei der Anfahrt von der Polizei zur Umkehr angehalten wurden (wahlweise 14 Tage Quarantäne); von Schülerinnen und Schülern aus beiden Ländern frequentierte Krippen, Kindergärten und Schulen untersagten von heute auf morgen den Besuch von Kindern aus dem anderen Land oder machten gleich zu – all das ist im Elsass nur ganz schlecht kommuniziert worden, was natürlich ein Versäumnis ist, denn die Menschen im Elsass sind nun einmal die am direktesten Betroffenen.

Aus dieser schlechten Kommunikation resultiert das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden. Wie kann das Robert-Koch-Institut in Berlin nur die „Region Grand Est“ zur Risikozone erklären? In Deutschland gibt es doch mindestens genau so viele Fälle! Und schon werden diese Maßnahmen als Angriff auf das deutsch-französische Verhältnis am Oberrhein gewertet. Hat sich nicht Ursula von der Leyen genau so vehement dagegen verwahrt, dass die USA ganz Europa einseitig zur „Risikozone“ erklärt haben und ab dem heutigen Freitag die Einreise für Europäerinnen und Europäer (bis auf die Briten, die nach wie vor munter zwischen UK und US reisen dürfen – als ob die Briten vom Coronavirus nicht betroffen wären…) verbieten? Misst Deutschland da mit zweierlei Maß? Will man etwa dem Elsass schaden?

Als kleine Erklärung für die schlechte Kommunikation sei angemerkt, dass die Behörden von der aktuellen Lage mehr als gefordert, manchmal auch überfordert sind. Es gibt keinerlei Referenzen oder Erfahrungswerte für die aktuelle Situation und da ist es leider normal, dass nicht alles reibungslos läuft. Viele Städte und Körperschaften am Oberrhein geben ihr Bestes, um wenigstens die Medien zeitnah zu informieren, doch ist es auch in den Redaktionen schwierig, die Pressemitteilungen mit Berichten von vor Ort abzugleichen, oder auch mit anderen Mitteilungen, die oft widersprüchlich sind. Momentan machen vermutlich alle Fehler, doch wäre es nun angebracht, würde man von der deutschen Seite her anders, schneller und besser mit den französischen Nachbarn kommunizieren.

Wir sitzen mit diesem Virus alle gemeinsam im gleichen Boot, da das Virus ohnehin keine Grenzen und Nationalitäten kennt und wir sollten tunlichst vermeiden, in dieser Stresssituation auch gleich noch die deutsch-französischen Beziehungen zu belasten. Was jetzt vonnöten ist, ist eine enge Absprache über alle Grenzen hinweg, ein direkter Austausch zwischen den führenden Labors und Instituten und ein gemeinsames Vorgehen gegen dieses Virus. Natürlich sind das Badnerland, Rheinland-Pfalz und auch das Saarland inzwischen genau so betroffen wie das Elsass und die Region Grand Est und es geht ohnehin nicht darum, auf irgendjemand mit dem Finger zu zeigen – niemand ist „Schuld“ daran, wenn er oder sie dieses Virus eingefangen hat und ohne sein Wissen weitergibt. Das gilt in erster Linie für die Mitglieder der Freikirche in Mulhouse, wo dieses Virus ins Elsass eingefallen ist. Die Mitglieder dieser Gemeinde sind die ersten Betroffenen, verzeichnen zahlreiche Infektionsfälle und auch schwere Krankheitsverläufe und sie sind ganz bestimmt nicht „Schuld“ an der Präsenz dieses Virus am Oberrhein.

Eine Entschuldigung für diese schlechte Kommunikation an die Elsässer würde Herrn Ministerpräsident Kretschmann gut zu Gesicht stehen. Die vielen Kranken und die Gefährdung der Wirtschaft sind schon schlimm genug – jetzt sollte man nicht gleich auch noch die vielen Fortschritte der letzten Jahre in den deutsch-französischen Beziehungen aufs Spiel setzen.

5 Kommentare zu „Die wollen uns bei sich nicht haben!“

  1. Tout a fait d’accord avec cette analyse. En frontière, les décisions ne peuvent pas se prendre de manière unilatérale, il faut s’informer, se concerter avant de décider et ceci en partenariat. Certains élus du Bade-Wurtemberg ont raison quand ils disent que le Bund et le Land les abandonne. Je rappelle qu’il y a dans l’espace PAMINA plus de 16 000 travailleurs frontaliers et que cela représente une force économique. J’attends que les instances officielles et étatiques de la coopération dans le Rhin supérieur s’empare du sujet, c’est à 100% de leur compétence et c’est le moment de réagir et de prouver qu’ils sont proche des citoyens et de leur préoccupation. Notre INFOBEST à Lauterbourg est encore la seule qui est ouverte dans le Rhin supérieur, les autres sont fermées et ne répondent pour partie même plus au téléphone. Notre devoir est de rester à l’écoute des citoyens même dans les moments les plus graves.

    • Eurojournalist(e) // 13. März 2020 um 22:20 // Antworten

      Entièrement d’accord – heureusement que PAMINA ne se désiste pas. Il y aura des choses à discuter, une fois la crise passée…

    • Lieber Kai, Du sprichst mir aus der Seele! Ich habe aiuch Corona Ferien. Eine seltsame Situation, die mich allerdings nicht am arbeiten hindert.

      • Eurojournalist(e) // 16. März 2020 um 0:42 // Antworten

        Wir alle, liebe Wiebke, ich mache meine Radiosendung ab sofort auch von zuhause aus. Sehr seltsame Situation…

  2. Nur zur Korrektur von in den Kommentaren gemachten Falschaussagen: Die anderen drei Infobesten entlang des Oberrheins haben ebenfalls geöffnet, nicht physisch zwar, aber wir beraten per E-Mail und Telefon. Auf diese Weise wurden in den vergangenen 6 Wochen bereits mehrere hundert Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern, aus der Wirtschaft, sowie von staatlichen Stellen beantwortet. Zudem haben wir das COVID-19-spezifische Online-Informationsangebot erarbeitet, welches der trinationalen Bevölkerung des Oberrheinraums seit dem 20. März zur Verfügung steht.

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