Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch 70 Jahre später.

Am Sonntag wurden in Straßburg die Überreste jüdischer Opfer sadistischer Experimente des Nazi-Professors Hirth beigesetzt.

Die Beisetzung der Überreste der Opfer des Naziprofessors Hirth war ein Akt, mit dem diesen Opfern die Würde wiedergegeben wurde. Foto. Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Am Sonntag wurde weltweit der Opfer der Märtyrer der Deportation gedacht und die jüdische Gemeinde in Straßburg hatte bewusst diesen Tag für die Beisetzung der Überreste der Opfer des Naziprofessors Hirth gewählt. Dieser hatte 86 jüdische Opfer für seine sadistischen Experimente an der damaligen Reichsuniversität Straßburg missbraucht – die Beisetzung am Sonntag zeigte, dass es noch überhaupt nicht lange her ist, dass die Nazis Europa mit ihrer Barbarei überzogen hatten. Die Würde der Beisetzung und der Hintergrund der Geschichte dieser 86 sollte jeden zum Nachdenken bringen, der heute sagt, dass es “an der Zeit sei, diese alten Geschichten zu den Akten zu legen”. Denn diese “alten Geschichten” sind viel aktueller, als man das manchmal glaubt.

Dass man überhaupt Kenntnis vom tragischen Schicksal dieser 86 Opfer des Naziwahnsinns erhielt, verdankt man der Arbeit des Forschers Dr. Raffael Toledano und dem Filmemacher Emmanuel Heyd – diese recherchierten minutiös die Vorgänge um die Experimente des Professors Hirth und schafften es tatsächlich, die Namen der von den Nazis umgebrachten und dann totgeschwiegenen 86 Opfer herauszufinden, die damit ihre Identität und Würde wenigstens zum Teil wieder erlangten. Durch den hervorragenden Dokumentarfilm “Die Namen der 86” erhielten diese 86 Opfer des Nazismus 70 Jahre nach ihrer Ermordung den Status einer menschlichen Existenz zurück.

Doch auch nach Ausstrahlung des Films forschte das Team weiter und stieß im Juli dieses Jahres im Keller des Instituts für Rechtsmedizin tatsächlich auf Behälter, die menschliche Überreste enthielten, die eindeutig diesen 86 Opfern zugeordnet werden konnten. Unter anderem dem Großrabbiner der Straßburger jüdischen Gemeinde Menachem Taffarel, dessen Andenken nach 1945 immer gepflegt wurde.

Durch die würdevolle Beisetzung am Sonntag auf dem jüdischen Friedhof in Straßburg wurde etwas erreicht, das niemand für möglich gehalten hatte – die aus Auschwitz an den wahnsinnigen Professor ausgelieferten und von ihm umgebrachten jüdischen Opfer feierten eine Art späten Sieg über die Nazis. Denn das, was die Nazis wollten, nämlich diesen Menschen die Würde, das Leben und die Identität zu rauben, das haben sie nicht geschafft. Getötet haben die Nazis diese 86 Opfer, das steht fest. Doch Raffael Toledano, Emmanuel Heyd und die jüdische Gemeinde in Straßburg haben es geschafft, diesen 86 Menschen ihren Namen, ihre Identität und ihre Würde zurück zu geben. Was durchaus Grund zur Hoffnung gibt, dass sich die Barbarei und das Unrecht am Ende eben doch nicht durchsetzen können.

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