Die Zeichen stehen an der Wand…

Europas Rechtsextreme haben einen klaren Plan, um das Kommando in den europäischen Institutionen zu übernehmen. Doch so richtig scheint das kaum jemand wahrzunehmen.

Dass Giorgia Meloni als Spitzenkandidatin der Fratelli d'Italia bei der Europawahl antrifft, macht diese Wahl für die Rechtsextremen zur Chefsache. Foto: Europäische Union / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Giorgia Meloni hat sich zur Spitzenkandidatin der post-faschistischen Fratelli d’Italia für die Europawahl gemacht, die in den italienischen Umfragen ungefähr auf dem Wert der letzten Wahlen in Italien liegt, die Meloni gewonnen hat. Gleichzeitig meldete sie ihren Führungsanspruch für Europas Rechtsextreme an und auch, wenn sie ihren sicheren Sitz im Europäischen Parlament nicht einnehmen wird (dem steht die Satzung des Parlaments entgegen, die besagt, dass Meloni zwischen ihrem Sitz im Parlament und ihrem Job als italienische Regierungschefin wählen muss), so gibt ihre Kandidatur den Rechtsextremen noch einmal Rückenwind.

Im bürgerlichen Lager herrscht hingegen Langeweile pur. Die bislang größte Fraktion, die konservative EVP, hatte nichts Besseres zu tun als ausgerechnet Europas unbeliebteste, wenn nicht meistgehasste Politikerin zur Spitzenkandidatin zu küren, in der irrigen Hoffnung, dass die Europäerinnen und Europäer ein zweites Mandat von Ursula von der Leyen an der Spitze der Europäischen Kommission wünschen, was einmal mehr zeigt, wie weit sich die politische Kaste von der Wirklichkeit des Terrains entfernt hat. Denn Ursula von der Leyen ist eher ein Grund, die nationalen Parteien der EVP nicht zu wählen, denn ihr „weiter so!“ ist nicht nur langweilig, sondern inzwischen sogar gefährlich.

Der Neonationalismus in vielen europäischen Ländern wird das Leitmotiv der Wahlen am 9. Juni werden und dass es so weit kommen kann, haben sich die bürgerlichen Parteien selbst zuzuschreiben. „Brüssel“ wird heute von vielen als Zentrum der institutionellen Korruption betrachtet und wenn man in den einzelnen Ländern sieht, wie die jeweiligen Regierungsparteien und -Bündnisse in den Umfragen stehen, wird deutlich, dass diese Wahlen am 9. Juni eine Mischung aus neonationalistischem Durchbruch und „Abstrafwahl“ für inkompetente Regierungen wird. Woher die EVP ihren Optimismus nimmt, mit dem sie sich selbst eine „bequeme Mehrheit“ prognostiziert, ist rätselhaft.

Die linken Parteien befinden sich quer durch Europa in einem kollektiven Auflösungsprozess, zwischen schwacher Oppositionsarbeit und Unterstützung der Hamas-Terroristen und abgesehen davon, dass sie ein paar Sitze im neuen Parlament erobern werden, muss man davon ausgehen, dass sie künftig in den Institutionen nur noch eine sehr bescheidene Rolle spielen werden.

Dass Giogia Meloni nun Spitzenkandidatin der Fratelli d’Italia für die Europawahl ist, zeigt, dass die Übernahme der europäischen Institutionen bei den Rechtsextremen Chefsache ist. Dass die bürgerlichen Parteien hingegen nur ihre III. Wahl ins Rennen schicken, zeigt umgekehrt, wie unengagiert und unmotiviert diese Parteien das Feld den Rechtsextremen überlassen. Natürlich wie immer in der Hoffung, dass der Slogan „nehmt uns, sonst bekommt ihr die Rechtsextremen“ immer noch funktioniert. Nur funktioniert dies eben nicht mehr, denn die aktuellen Regierungen der europäischen Länder sind derart inkompetent und schwach, dass ein anderer Slogan, nämlich „viel schlechter können die das auch nicht machen“ mehr Wirkung zeigen dürfte.

Die Kandidatur von Giorgia Meloni ist bislang der lauteste Paukenschlag im Vorfeld dieser Europawahl. Durch dieses Engagement bekräftigt Meloni eindeutig ihren Führungsanspruch der europäischen Rechtsextremen. Ganz anders in Frankreich, wo sich Marine Le Pen nur symbolisch auf den letzten Listenplatz des Rassemblement National gesetzt hat und kein Regierungsmitglied von Macron bereit für eine Kandidatur war oder gar in Deutschland, wo die AfD mit ihren in Korruptions- und Spionage-Skandale verwickelten Spitzenkandidaten ein richtiger Griff ins Klo gelungen ist und sich die Parteispitzen erst gar nicht in die Europawahl einklinken. Damit verliert sowohl das Rassemblement National, als auch die AfD, die Möglichkeit, die Führung der europäischen Rechtsextremen für sich zu beanspruchen.

Während die bürgerlichen Parteien einen Europawahlkampf wie immer begonnen haben, mit farblosen Kandidaten und Kandidatinnen, die mit den ewig gleichen Slogans und leeren Versprechungen antreten, laufen im rechtsextremen Hintergrund bereits die Verhandlungen über die Zusammenlegung der verschiedenen rechtsextremen Fraktionen im Europäischen Parlament. Sollten die Ergebnisse am 9. Juni so sein, dass es eine Mehrheit rechts der bürgerlichen Mitte geben könnte, so werden sich die Neonationalisten die Chance nicht entgehen lassen, die Kontrolle über die europäische Politik zu übernehmen. Und so ist die Spitzenkandidatur von Giorgia Meloni nicht etwa nur eine Kurzmeldung aus dem Wahlkampf, sondern eine Kampfansage an das gesamte politische Establishment Europas, das am 9. Juni eine Überraschung erleben könnte. Die dann von den fast 500 Millionen Europäerinnen und Europäern ausgebadet werden muss.

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