Donnerschall und Funkenschlag – Achtung: Neue Musik

MUSICA - eines der größten Festivals für Neue Musik beginnt am Freitag im Straßburger Palais de la musique et congrès mit dem SWR-Symphonieorchester

MUSICA wird auch dieses Jahr wieder das Festival der überraschenden Musik werden! Foto: Festival MUSICA

(Von Michael Magercord) – Es ist wieder soweit, MUSICA, das Festival der neuen Musik des ernsten Faches, findet bereits zum 33. Mal statt. Doch dieses Mal scheint es richtig ernst zu werden: Funken sprühen und Stahlplatten donnern, und glaubt man dem offiziellen Ankündigungsplakat, werden Außerirdische in Stahlhemden ans musikalische Werk gehen.

Aber ganz so ernst wie im Hochofen wird es im Straßburger Konzertsal doch nicht zu gehen, denn die Stahlmänner sind nur die Begleitbilder zur Musik. Der elsässische Fotograf Frantisek Zvardon mit tschechischen Wurzeln hat die Arbeiterportraits im Stahlwerk von Trinec in Nordmähren aufgenommen, und von dort noch einn ganzen Film mitgebracht, den der Komponist Yann Robin mit Musik unterlegt hat. Am Freitag, den 18. September wird beides zu sehen und zu hören sein mit dem SWR-Symphonieorchester beim offiziellen Eröffnungskonzert des Festivals – als Weltpremiere, ganz wie es sich für ein Festival der Neuen Musik gehört.

Insgesamt werden in den kommenden zwei Wochen 38 Veranstaltungen dargeboten, große Symphoniekonzerte, Kammermusik, Workshops und gar zwei Opern. Nicht alles wird ganz neu sein, große Klassiker der Moderne wie Arvo Pärt oder die beiden Ungarn Ligeti und Kurtag sind vertreten, oder auch Lachenmann und Boulez. Und doch: fast zwanzig Welturaufführungen von bekannten, weniger bekannten und unbekannten Komponisten werden zu Gehör gebracht, von denen einige Werke wohl auch gleichsam ihre letzte Darbietung erleben werden. Aber genau darin besteht der besondere Reiz eines Festivals der Neuen Musik.

Ist wird also nicht alles in Stahl gegossen sein, was da auf die Bühnen kommen wird. Aber vielleicht hat die Metapher aus dem Eisenerz verarbeitenden Gewerbe noch eine andere Dimension: Denn erscheint die Neue Musik nicht selbst manches Mal schon ein wenig wie ein Relikt aus der Schwerindustrie? Wenn etwa selbst die jüngeren Komponisten, wie etwa der in Berlin lebende Schweizer Hanspeter Kyburz, sich allen Ernstes an den doch weitgehend ausgereizten algorithmischen und seriellen Kompositionsverfahren abarbeiten, scheint es, als gehorchten sie den Anforderungen von klar strukturierten Produktionsabläufen.

Auf diese Weise zeigen die Fotos der Stahlarbeiter in ihren Stahlmänteln und Schutzhelmen das Dilemma der Neuen Musik nach alten Mustern: Die Männer bleiben Außerirdische, man kann ihre Funktion erahnen, nicht aber den Menschen erkennen, der in dem Stahlkorsett steckt. Und so ergeht es manches Mal auch mit der vollends berechnenden und berechneten Musik: sie bleibt letztlich etwas Fremdes, das sein Leben letztlich nur den Mitteln aus den – allerdings fast schon stählernen – Fördertöpfen verdankt.

Das muss aber nicht sein, und ist es sicher auch nicht, und schon gar nicht, wenn man selbst dabei ist. Denn sollte man nicht das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist? Diese Weisheit aus der Welt der Siderologie ist eine Botschaft an das Publikum: Nicht ist ergreifender, als dabei zu sein, wenn man weiß: das gibt’s vielleicht nur einmal, dieses eine Mal nämlich, als ich dabei war! Und ob man das dann wirklich alles so ernst nehmen muss, wie es daherzukommen scheint, das bleibt ja schließlich jedem Zuhörer – und Zuschauer – immer noch selbst überlassen.

Und das ist noch möglich bis zum 3. Oktober, wenn das Festival mit einem großen Konzert des WDR-Symponieorchesters aus Köln seinen Abschluss findet – natürlich mit einer Welturaufführung.

Weitere Information zum Programm: www.festival-musica.org
Infos zur Opern Uraufführung am 26. September: www.operanationaldurhin.eu

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