Dreckiges Fleisch

Der Skandal um die Zustände in der deutschen Fleischproduktion sind seit Jahren bekannt. Die über 1000 Covid-Infektionen in Tönnies-Schlachthöfen sind nur die Bestätigung eines unhaltbaren Zustands.

Massentierhaltung, Massenschlachtungen, Massenproduktion - unter richtig üblen Umständen. Das muss aufhören. Foto: Paul Stokstad, EPA / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Wieso müssen Schlachthöfe und Fleischproduzenten in der Bretagne und in anderen europäischen Regionen aufgrund der Realitäten in der deutschen Fleischproduktion schließen? Die Antwort ist einfach – aufgrund des seit Jahren in Deutschland praktizierten und tolerierten Sozial-Dumpings. Dass die Mitarbeiter der Riesen-Fleischproduzenten in Deutschland unter unglaublichen Bedingungen leben und zu unglaublich niedrigen Löhnen arbeiten, hat dazu geführt, dass Deutschland nun auch Covid-19-Cluster hat. Und dass die deutsche Fleischindustrie zu unglaublich günstigen Konditionen produzieren kann, die den europäischen Wettbewerb in die Knie zwingen. Schuld daran sind eigentlich alle.

Der Fleischproduzent und Präsident von Schalke 04, Clemens Tönnies, trägt die Hauptverantwortung an diesem erneuten Covid-Ausbruch und dafür, dass sich Fleischproduzenten in anderen europäischen Ländern kaum noch über Wasser halten können. Denn in seinen Mega-Fleischfabriken, in denen nach eigenen Angaben täglich rund 30.000 Schweine verarbeitet werden, setzt Tönnies zahlreiche „Subunternehmer“ ein, die überwiegend aus Bulgarien und Rumänien stammen und in der Regel keine Ahnung haben, dass sie „Subunternehmer“ sind. Die Verträge, die man sie unterschreiben lässt, sind zumeist in deutscher Sprache abgefasst und werden mit Generalunternehmern abgeschlossen. Nicht nur, dass die Entlohnung aus jämmerlichen Stundenlöhnen besteht, dazu werden die Arbeiter in verdreckten Wohnanlagen zusammengepfercht, wo sie horrende Mieten zahlen müssen, die oft den größten Teil ihrer Entlohnung beträgt. Zu mehreren in kleinen Zimmern zusammengedrängt leben diese Menschen unter üblen hygienischen Bedingungen, die letztlich zu diesem neuen Covid-Cluster geführt haben.

Von den bislang getesteten 4000 Mitarbeitern in der Fleischfabrik bei Gütersloh sind über 1000 positiv auf Covid-19 getestet worden. Diese müssten nun theoretisch alle für 14 Tage in Quarantäne, doch einmal mehr waren die Behörden nicht die schnellsten. Unmittelbar nach den Tests konnte man in den Wohnanlagen der Tönnies-Mitarbeiter reges Treiben feststellen. Kleinbusse mit rumänischen und bulgarischen Nummernschildern sammelten Tönnies-Mitarbeiter ein und verschwanden mit diesen in Richtung Osten. Im Gepäck ihre Habseligkeiten und das SARS-CoV-2.

Dass Tönnies jeden legalen Trick nutzt, um das Billigfleisch zu produzieren, dass ihm die Discounter in einem gnadenlosen Preiskampf zu immer niedrigeren Preisen abkaufen, ist bekannt. Dass letztlich die Supermarkt-Discounter die Preise diktieren, das kennt man auch aus anderen Branchen, beispielsweise der Milch-Industrie. Und am Ende dieser langen Kette aus Massentierhaltung, immer weiter bröckelnden Erzeugerpreisen, Sozial-Dumping und der Marktmacht der Discounter – stehen wir, die Verbraucher*innen. Denn wir sind es, die das in dieser widerlichen Kette produzierte Fleisch zu Billigstpreise kaufen. Trotz aller Skandale der letzten Jahre, trotz Gammelfleisch, trotz unhaltbarer hygienischer Bedingungen in der Produktions- und Vertriebskette. Und damit sind wir es, die Verbraucher*innen, die als einzige etwas an diesem Zustand ändern können – indem wir diese unter übelsten Bedingungen produzierten Billigprodukte nicht mehr kaufen.

Eine der Erkenntnisse des Lockdowns war, dass es Sinn macht, regionale Produktionszyklen zu bevorzugen und genau das sollten wir machen. Wenn ein oder zwei Mal in der Woche kein Fleisch auf den Tisch kommt, dass ist das nicht schlimm, sondern auch ein Beitrag zu einer nachhaltigen und die Umwelt weniger belastenden Fleischproduktion.

Dazu ist allerdings auch der Gesetzgeber gefordert – zum Schutz der eigenen Bevölkerung und zur Wiederherstellung eines fairen europäischen Wettbewerbs in diesem Sektor. Jeder weiß, dass die bei Tönnies & Co. arbeitenden Osteuropäer keine „selbstständigen Kleinunternehmer“, sondern schlimm ausgebeutete und im Akkord arbeitende Lohnsklaven sind. Dieses System kann und muss der Gesetzgeber endlich ändern und die Fleischproduktion in Deutschland ganz anders regeln.

Man sollte sich hüten, das ewige Argument der Arbeitsplätze anzuführen. Für die Lohnsklaven aus Osteuropa werden keine Sozialabgaben fällig und das, was diese Menschen in deutschen Fleischfabriken erleben, kann man nur schwer als einen „Arbeitsplatz“ bezeichnen. Jahrelang hat die Politik beide Augen vor diesen Praktiken zugedrückt und die Covid-19-Krise hat die unhaltbaren Zustände in diesen Fabriken einmal mehr offengelegt.

Der Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, hat es auf den Punkt gebracht: „Das Gebaren der Fleischbarone, die nur auf Profit setzen, und meinen, sich an keine Regeln halten zu müssen, ist ein Skandal. […] Jeder von uns hat es in der Hand, welche Unternehmen man selbst unterstützt. Es ist an der Zeit, dass die großen Supermarktketten sich nicht länger mitschuldig machen. Sie sollten Tönnies-Produkte aus ihrem Angebot nehmen.“ Und wir sollten uns gut überlegen, ob wir dieses „dreckige Fleisch“ weiterhin kaufen…

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