Dulce et décorum est pro patria mori ?

Dem gibt es nichts hinzuzufügen... Foto: Nikita Beriozkin / Wikimedia Commons / CC_BY-SA 4.0int

(KL) – Die einen wollen ganz Zentraleuropa in ein riesiges Waffenlager umwandeln, die anderen wollen die NATO an der Grenze zu Russland positionieren und wieder andere regen an, man möge doch den Kreml bombardieren. Eine Art Kriegs-Erregung hat viele Menschen im Westen erfasst und es wird Zeit sich zu erinnern, was Krieg wirklich ist.

„Dulce et decorum est pro patria mori“, „süß und ehrenvoll ist es, für’s Vaterland zu sterben“ – dieser Satz wird abwechselnd Horaz und dem britischen Dichter Wilfred Owen zugeschrieben, doch gleich, wer ihn auch verfasst haben mag, er ist falsch. Krieg, das ist Zerstörung, Not, Elend und ein einsames Sterben fern der Menschen, die man liebt, schmutzig, angsterfüllt, schmerzhaft. Da ist nichts „süß und ehrenvoll“, das Gegenteil ist der Fall.

Doch die Leiden der beiden letzten Weltkriege sind schon zu lange her, die Jugend der Welt amüsiert sich an Video-Kriegsspielen (die den Vorteil bieten, dass man auf die Reset-Taste drücken kann, wenn man erschossen wurde), und immer mehr Menschen hecheln nach Waffen und Krieg. Die Bundesregierung investiert 100 Milliarden Euro in die Rüstung und niemand interessiert sich dafür, dass man mit solchen Summen soziales Elend beseitigen und vielen Menschen ein menschenwürdiges Leben garantieren könnte. Doch während kein Geld für ein besseres, menschenwürdiges Leben da ist, haben wir jede Menge Geld für Dinge, die den Tod bringen. Wo sind die Hunderttausenden geblieben, die in den 70er und 80er Jahren für den Frieden auf die Straße gingen?

Wie in jedem Krieg gibt es Bösewichter und Helden. Das ist wichtig, denn Krieg ist eine derart komplexe Gemengelage zwischen wirtschaftlichen, geostrategischen und geopolitischen Dingen, dass man einfache Schwarz-Weiß-Bilder braucht, um sich zurechtzufinden. In diesem Fall ist die Rollenverteilung klar. Putin hat angegriffen und das ist eindeutig zu verurteilen. Und Selenskyi ist der Held. Stimmt, ein mutiger Mann. Aber war 1940 Charles de Gaulle weniger mutig, als er ins Exil nach London ging, von dort den Widerstand organisierte und seine Landsleute eben nicht dazu aufrief, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen? Hätte sich De Gaulle damals so verhalten wie Selenskyi heute, gäbe es nur noch wenig Franzosen und in Frankreich würde man vermutlich heute Deutsch sprechen. Was De Gaulle ein Feigling, weil er Millionen Franzosen das Leben gerettet hat?

Und überhaupt – lohnt es sich, für ein Land zu sterben? Der Ort, an dem der Autor dieses Artikels geboren wurde, hat in den letzten Jahrhunderten viermal die Nationalität gewechselt, mal waren die Schweden da, mal die Franzosen, mal die Österreicher und dann die Preussen. Meine „Nationalität“ hängt folglich eher mit dem Zeitpunkt als mit dem Ort meiner Geburt zusammen. Im Elsass ist es nicht viel anders, hier gibt es Menschen, die im Laufe ihres Lebens aufgrund der Wirren der Geschichte mehrfach ihre Nationalität ändern mussten. Seit Jahrhunderten werden in Europa Grenzen verschoben, gezogen, aufgehoben. Staatsgebiete verändern sich permanent – was aber ist dann die Nation, für die man sein Leben geben soll?

Zu einem Zeitpunkt, zu dem so viele Menschen Krieg als Option zur Lösung politischer Probleme betrachten, sollte man sich daran erinnern, was Krieg wirklich ist. Und dafür gibt es nur ein Wort: schrecklich.